Am vergangenen Freitag war es mal an der Zeit für ein kleines Experiment: ausgehend von der Prämisse, dass wir alle narrative Wesen sind, unsere Leben wie eine Geschichte stricken, es sequenzieren, weglassen und hinzufügen, so daß vieles (vielleicht sogar alles) im Rückblick etwas außerordentlich Stringentes hat, wollte ich wahllos Menschen bitten, mir eine Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen.
Also habe ich mir einen Tisch besorgt, mich in einen der Ausstellungsräume gesetzt, mein Mikrofon aufgestellt und professionell in die Gegend geschaut.
Wer ist Dein Lieblingsautor?
Boris Pahor
Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?
Der Moment als ich zum ersten Mal in die USA geflogen bin, ganz alleine. Ich wußte nicht, was ich erwarten sollte, ich hatte noch nicht mal eine Telefonnummer, die ich anrufen konnte. Ich wußte, dass es mein Leben verändern würde - ich hatte davor ein schlimmes Jahr - weil ich zum ersten Mal richtig alleine war. Ich fühlte mich sehr klein, auf der anderen Seite aber sehr stark. Es gab nur mich, keiner kannte mich und so konnte ich mich selbst entdecken. Also habe ich nur das gemacht, worauf ich Lust hatte. Wollte ich alleine ins Kino oder in den Park ein Buch lesen, dann habe ich es halt gemacht. In Maribor ist mir das nie so gelungen; immer will jemand was von dir, erwartet etwas von dir. Ich habe so viel alleine gemacht; ich würde sagen, es hat mich geprägt, weil ich zum ersten mal mutig genug war, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und auch Nein zu anderen Leuten zu sagen. Ich fühlte mich wirklich frei. Danach wurde alles einfacher.
Was ist Dein Traum vom Glück?
Am wichtigsten ist es, zufrieden mit sich zu sein, 100 Prozent. Die Momente des Glücks sind immer kleine Momente, finde ich. Wie beim Wandern oder mit der Familie. Hättest Du vor drei Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Der perfekte Partner, guter Job, genug Geld und zwei Urlaube pro Jahr.
Hast Du ein Lebensmotto?
Du musst im Moment leben, auch wenn das sehr viel Übung erfordert.
Was gefällt Dir an Maribor?
Der Komfort einer kleinen Stadt. Du weißt immer wohin. Es ist ruhig, die Natur ist nah, perfekt um Kinder groß zu ziehen. Ich liebe den Piramidenberg, vor allem wenn ich alleine dort oben bin.
Igor, 35. Dichter
Vor ein paar Jahren war ich mit ein paar Freunden abends in Maribor aus. Wir sind in die Poststraße und haben uns erst beim Bosnier und dann im Tildos fürchterlich betrunken. Dann sind wir durch die Stadt gezogen, schon ziemlich am Torkeln. Irgendwann sind wir vor einem Schaufenster gelandet und haben uns die Jacken für den Winter angeschaut. Ich brauchte unbedingt eine, aber hatte kein Geld. Also dachten wir uns, es ist drei Uhr morgens, keine Polizei weit und breit, schmeißen wir die Scheibe ein.
Wir besorgten und Pflastersteine und haben genau das gemacht. Als die Alarmanlage los ist, sind meine Freunde abgehauen, nur ich bin geblieben, weil ich unbedingt diese Jacke haben wollte. Allerdings war die Polizei doch nicht so weit weg und hat mich dabei erwischt. Das war so ziemlich der peinlichste Moment in meinem Leben.
Es hatte aber sein Gutes. Ich musste die Nacht auf der Polizeiwache verbringen und als ich langsam nüchtern wurde, schwor ich mir, nie wieder so einen Scheiß zu bauen und mich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Das war vor ein paar Jahren und heute kann ich tatsächlich vom Dichten leben. Nicht ausufernd aber immerhin. Ich sage immer: Ein Künstler lebt nur ein kleines bisschen besser als ein Clochard.
Also habe ich mir einen Tisch besorgt, mich in einen der Ausstellungsräume gesetzt, mein Mikrofon aufgestellt und professionell in die Gegend geschaut.
Mir war schon klar, dass ich eine Alternative vorbereiten muss, einen Fragebogen zum Beispiel, weil manchen die Bitte "Erzähl mir etwas" (verständlich auch) bestimmt überfordern würde.
Hier ist ein Auszug der Ergebnisse:
Maja, 29. Volonteer
Hier ist ein Auszug der Ergebnisse:
Maja, 29. Volonteer
Wer ist Dein Lieblingsautor?
Hermann Hesse
Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?
Das Ende meiner letzten Beziehung. Ich habe Schluss gemacht und das war sehr wichtig für mich, endlich loszukommen. Danach habe ich bei einem kroatischen Film gearbeitet, auf einer Insel, und das war unheimlich befreiend, säubernd. Meine ganze Energie hat sich dadurch geändert, von negativ zu positiv.
Was ist Dein Traum vom Glück?
Frieden. Aber den muss jeder in sich selbst finden.
Hast Du ein Lebensmotto?
Versuche in Allem das Gute zu finden.
Was gefällt Dir an Maribor?
Die Energie. Ich mag' die kleinen Dinge hier.
Jasna, 60. Künstlerin
Ich arbeite in meinem Bereich jetzt seit 40 Jahren, habe an der Kunstschule in Ljubljana studiert, bin dann nach Indien und schließlich nach Maribor. Ich war immer selbständig, habe nie einen Job gehabt, das ist doch schon ein Erfolg an sich, oder?
Jetzt ist es wie das Ende eines Marathons. Es war nicht einfach, weil ich nicht wußte, wie man mit dieser Bürokratie umgeht. Künstler sind selten gute Bürokraten, es ist wichtiger, dass wir uns ausdrücken. Trotzdem habe ich es geschafft hier und jetzt zu landen und nun habe ich jede Menge Referenzen. Meine ganzen anderen Künstlerkollegen hat der Papierkram nur abgeschreckt.
Ich habe eine kleine Galerie in der Stadt, in der ältesten Straße, unten an der Drau, früher war das mal das jüdische Viertel, bevor sie vertrieben wurden.
Diese alten Mauern reden mit mir und ich höre zu. Irgendwie kommen viele Anhänger von Alistar Crowley zu mir, vielleicht weil er viel mit Kabbala gemacht hat.
Es herrscht da eine eigentümliche Energie, ich glaube wie an jedem Ort, an dem Menschen tausende von Jahren entlang gelaufen sind.
An jedem 25. habe ich ein kleines Happening. Ich sage zu den Seelen da draußen, worauf wartet ihr, das Jahr geht zu Ende, wir müssen die Energie ändern, die schlechten Sachen müssen raus.
Alenka, 26. Politik-Dozentin
Hermann Hesse
Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?
Das Ende meiner letzten Beziehung. Ich habe Schluss gemacht und das war sehr wichtig für mich, endlich loszukommen. Danach habe ich bei einem kroatischen Film gearbeitet, auf einer Insel, und das war unheimlich befreiend, säubernd. Meine ganze Energie hat sich dadurch geändert, von negativ zu positiv.
Was ist Dein Traum vom Glück?
Frieden. Aber den muss jeder in sich selbst finden.
Hast Du ein Lebensmotto?
Versuche in Allem das Gute zu finden.
Was gefällt Dir an Maribor?
Die Energie. Ich mag' die kleinen Dinge hier.
Jasna, 60. Künstlerin
Ich arbeite in meinem Bereich jetzt seit 40 Jahren, habe an der Kunstschule in Ljubljana studiert, bin dann nach Indien und schließlich nach Maribor. Ich war immer selbständig, habe nie einen Job gehabt, das ist doch schon ein Erfolg an sich, oder?
Jetzt ist es wie das Ende eines Marathons. Es war nicht einfach, weil ich nicht wußte, wie man mit dieser Bürokratie umgeht. Künstler sind selten gute Bürokraten, es ist wichtiger, dass wir uns ausdrücken. Trotzdem habe ich es geschafft hier und jetzt zu landen und nun habe ich jede Menge Referenzen. Meine ganzen anderen Künstlerkollegen hat der Papierkram nur abgeschreckt.
Ich habe eine kleine Galerie in der Stadt, in der ältesten Straße, unten an der Drau, früher war das mal das jüdische Viertel, bevor sie vertrieben wurden.
Diese alten Mauern reden mit mir und ich höre zu. Irgendwie kommen viele Anhänger von Alistar Crowley zu mir, vielleicht weil er viel mit Kabbala gemacht hat.
Es herrscht da eine eigentümliche Energie, ich glaube wie an jedem Ort, an dem Menschen tausende von Jahren entlang gelaufen sind.
An jedem 25. habe ich ein kleines Happening. Ich sage zu den Seelen da draußen, worauf wartet ihr, das Jahr geht zu Ende, wir müssen die Energie ändern, die schlechten Sachen müssen raus.
Alenka, 26. Politik-Dozentin
Wer ist Dein Lieblingsautor?
Boris Pahor
Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?
Der Moment als ich zum ersten Mal in die USA geflogen bin, ganz alleine. Ich wußte nicht, was ich erwarten sollte, ich hatte noch nicht mal eine Telefonnummer, die ich anrufen konnte. Ich wußte, dass es mein Leben verändern würde - ich hatte davor ein schlimmes Jahr - weil ich zum ersten Mal richtig alleine war. Ich fühlte mich sehr klein, auf der anderen Seite aber sehr stark. Es gab nur mich, keiner kannte mich und so konnte ich mich selbst entdecken. Also habe ich nur das gemacht, worauf ich Lust hatte. Wollte ich alleine ins Kino oder in den Park ein Buch lesen, dann habe ich es halt gemacht. In Maribor ist mir das nie so gelungen; immer will jemand was von dir, erwartet etwas von dir. Ich habe so viel alleine gemacht; ich würde sagen, es hat mich geprägt, weil ich zum ersten mal mutig genug war, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und auch Nein zu anderen Leuten zu sagen. Ich fühlte mich wirklich frei. Danach wurde alles einfacher.
Was ist Dein Traum vom Glück?
Am wichtigsten ist es, zufrieden mit sich zu sein, 100 Prozent. Die Momente des Glücks sind immer kleine Momente, finde ich. Wie beim Wandern oder mit der Familie. Hättest Du vor drei Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Der perfekte Partner, guter Job, genug Geld und zwei Urlaube pro Jahr.
Hast Du ein Lebensmotto?
Du musst im Moment leben, auch wenn das sehr viel Übung erfordert.
Was gefällt Dir an Maribor?
Der Komfort einer kleinen Stadt. Du weißt immer wohin. Es ist ruhig, die Natur ist nah, perfekt um Kinder groß zu ziehen. Ich liebe den Piramidenberg, vor allem wenn ich alleine dort oben bin.
Igor, 35. Dichter
Vor ein paar Jahren war ich mit ein paar Freunden abends in Maribor aus. Wir sind in die Poststraße und haben uns erst beim Bosnier und dann im Tildos fürchterlich betrunken. Dann sind wir durch die Stadt gezogen, schon ziemlich am Torkeln. Irgendwann sind wir vor einem Schaufenster gelandet und haben uns die Jacken für den Winter angeschaut. Ich brauchte unbedingt eine, aber hatte kein Geld. Also dachten wir uns, es ist drei Uhr morgens, keine Polizei weit und breit, schmeißen wir die Scheibe ein.
Wir besorgten und Pflastersteine und haben genau das gemacht. Als die Alarmanlage los ist, sind meine Freunde abgehauen, nur ich bin geblieben, weil ich unbedingt diese Jacke haben wollte. Allerdings war die Polizei doch nicht so weit weg und hat mich dabei erwischt. Das war so ziemlich der peinlichste Moment in meinem Leben.
Es hatte aber sein Gutes. Ich musste die Nacht auf der Polizeiwache verbringen und als ich langsam nüchtern wurde, schwor ich mir, nie wieder so einen Scheiß zu bauen und mich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Das war vor ein paar Jahren und heute kann ich tatsächlich vom Dichten leben. Nicht ausufernd aber immerhin. Ich sage immer: Ein Künstler lebt nur ein kleines bisschen besser als ein Clochard.
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