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Dienstag, 4. Dezember 2012

Daumenkino

Blick aus meinem Stadtparkfenster in den letzten Wochen.












Donnerstag, 29. November 2012

Letzte Momentaufnahmen

Vielleicht der letzte Spaziergang am Flußufer. Auf der anderen Seite die Pfarrkirche des heiligen Josef, links geht's in das ehemalige Eisenbahnerviertel. Zum Abschied noch mal 18 Grad, der Winter will noch nicht kommen. Gefällt mir.

Freitag, 23. November 2012

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit*

Unterwegs in Maribors Wäldern, langsames Gehen zwischen Platanen, Sommerlinden und Rotbuchen. Wenn man mal darüber nachdenkt, gibt es unheimlich viele schöne Baumnamen, ein ganzes Kompendium, das den meisten vielleicht fremd ist. Das gilt auch für die Pilze, die gerade Saison haben, die in den Wäldern gepflückt werden von Männern mit Mützen und Zigaretten im Mundwinkel: Scheibenstreiflinge, Stockschwämmchen, flockenstielige Hexenröhrlinge.

Die Schritte durch das Laub setze ich in einer Geschwindigkeit, in der es sich behende denken lässt. Irgendwas an dieser Tempo-Gedanken-Kombination fühlt sich natürlich an, ursprünglich. Bruce Chatwin, der britische Reiseschriftsteller sagte einmal, “Das Leben ist eine Reise, die am besten zu Fuß bewältigt wird.” Ich bin geneigt, ihm Recht zu geben.

Nur, diese Art des Gehens, das auf das Diktum “je länger desto besser” angewiesen ist, sie kostet Zeit.

Genau die Art Zeit, die viele nicht mehr haben. Früher habe ich von meinen Freunden immer gehört “nee, können wir nicht machen. Kein Geld.” Heute heißt es hingegen immer “nee, geht nicht. Keine Zeit.”

Durch einen Wald von Stieleichen komme ich zu einer Kapelle und lese die Inschrift. Sie ist Station eines Kreuzwegs, den die Überlebenden der Pest in Maribor im Jahre 1683 gebaut haben. Ich folge dem Weg, denke an diese gläubigen Menschen, für die der Aufenthalt im Diesseits noch nichts weiter als eine Durchgangsstation war. Das wahre Leben, das war hinter den Toren aus Perlmutt.
Heute sehen das die meisten anders. Und doch verschwenden wir unsere Zeit. Indem wir sie nicht ausnutzen.

Jeder Europäer schaut im Durchschnitt 232 Minuten Fernsehen pro Tag. Umgerechnet auf ein ganzes Jahr sind das etwa 45 Tage vor dem Bildschirm, Tag und Nacht. Ist das nicht traurig? Und trotzdem hat keiner Zeit?

Das schlimme am Älterwerden ist, dass sich das Empfinden für Zeit ändert. Sie vergeht schneller. Manchmal höre ich mich schon an wie meine Mutter, wenn ich sage: Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. Meine Mutter freut sich natürlich über meine neu gewonnen Einstellung und nickt.

Plötzlich stoßen Begriffe wie “früher” und “damals” an die Oberfläche. Begriffe, die es im Vokabular eines Teenagers genauso wenig gibt, wie eine Antwort auf die Frage nach dem Ende des Universums.

Der Weg führt einen Berg hinauf, ein schmaler Streifen von festgetretener Erde, an manchen Stellen die quetschenden Hufspuren von Pferden. Kavalirje nennt sich dieser Hügel und auf der Spitze haben die Überlebenden eine Kirche gebaut. Die ganzen Steine hier hoch geschleppt, an der Außenwand der Kirche der heiligen Barbara und Rosalia Statuen von Jesus und Maria angebracht. Ein Ort, der grimm-märchenhaft im Wald lauert, überwachsen von den Kronen der Linden. Zeitlos setze ich mich auf eine Bank davor.

Was könnten wir erreichen, wenn wir unsere Zeit nicht so verschwenden würden? So vieles verschieben wir auf morgen, planen es in fünf, in zehn Jahren, wenn mal Ruhe dazu ist, wenn mal Zeit dafür da ist; vielleicht sind wir aber dann schon längst andere Menschen geworden.

Die Revolutionen und die Kriege der Vergangenheit haben uns in die freiste Gesellschaft aller Zeiten gebracht. Frei im Handeln, frei in Gedanken, gelenkt von Kant und Kyrene. Sicher verankert in einem Sozialsystem, nach dem sich Bewohner von vergangenen Jahrhunderten die Finger lecken würden. Irgendwann werden wir zurück schauen und uns fragen, wo die Zeit geblieben ist. Vielleicht werden dann schon die schlechten Zeiten angebrochen sein.

Wenn nur jeder Zweite so eine (metaphorische) Kirche bauen würde, wenn wir uns wieder konzentrieren würden auf die wirklich wichtigen Dinge, wir uns wieder Ziele stecken würden, wenn wir Abenteuer planen und sie ausführen würden, wenn wir mehr Energie und Zeit investieren würden, um diese Welt zu verbessern - wir wären sicherlich zufriedener. Vielleicht sogar glücklich.

Aber das alles braucht Zeit, wie guter Wein. Und wenn ich mir anschaue, wie ich selbst oft mit meiner Zeit umgehe, wie Freunde von mir sie nicht schätzen, wie Bekannte und andere Menschen der Zeit nicht befehlen, ihnen Untertan zu sein, muss ich an einen Spruch denken, den ich vor vielen Jahren von einem Soldaten gehört habe, der mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. In Afghanistan sagt man: Die im Westen haben die Uhr, aber wir haben die Zeit.

*Text aus der Lesung in Ljubljana

Montag, 12. November 2012

Drei Farben Gelb

Während sich in Deutschland das Laub ja schon verabschiedet hat (wie mir zu Ohren gekommen ist), klammert es sich hier immer noch an die Äste. Traumhaft.








Freitag, 26. Oktober 2012

Heimat*


Vor meinem Fenster schüttelt sich die Blautanne im Wind, krappbraune Kastanienblätter fegen durch die Luft, die Sonne verstrahlt Chromorange. Blätter sinken zu Boden und warten auf Kinder, die mit ihren tapsigen Füßen hindurchknarzen.

Aus meiner Wohnung am Stadtpark sehe ich ihn, wie er diese Stadt betritt, verneige mich und sage: Guten Tag, Herr Herbst.

Ich bin gerne in seiner Gesellschaft, schaue aus dem Fenster während die Sonne jeden Morgen den Nebel verbrennt, sitze an meinem Fenster wie damals meine Oma. Die saß dort jeden Tag in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, in einem anderen Geist.

Sie saß dort viele Jahre, ihr Mann - mein Opa - war gestorben, sie vermisste ihn und sein Winken, wenn er von der Arbeit kam, sie vermisste sein Geschick am Bau eines Schwarzbrotes mit einer ersten großzügigen Etage aus Hüttenkäse und einem Dach aus Kirschmarmelade.

So lange hatte sie darauf gewartet, in dieses Deutschland zu kommen, in die alte Heimat, hatte im Kopf immer die Koffer gepackt, den Namen geflüstert als sie im Straflager in Sibirien im Winter nichts anderes zu essen hatte, als das Leder der Schuhe.

Irgendwann Alice, sagte der Vater zu ihr, gehen wir zurück in die Heimat. Irgendwann sind wir dort, wo wir hingehören.

Und trotz des Hungers und des Durstes, trotz der Kälte, der Läuse und den ständigen Beleidigungen, den Strafen und den sterbenden Freunden - so geschah es.

Eines Tages unterhielten wir uns bei einem Stück Napoleontorte in ihrer Küche, am Fenster, über diesen Moment des Grenzübertritts von einer Idee in eine andere. Was das Schönste sein sollte, endlich heimzukehren, platzierte sie in einen Zwischenraum, den sie nie wieder verlassen hatte. “Weißt Du”, sagte sie, “der Himmel hing in Deutschland doch nicht voller Geigen.” In Russland war sie die Fritzenbrut, eine Verräterin - in Deutschland, ihrer Heimat, nach der sie sich so viele Jahre gesehnt hatte, die sie sich in einem mentalen Bilderbuch - schön bunt - ausgemalt hatte, hier war sie die Russin.

Am Ende saß sie am Fenster und schaute die lange Straße hinab, die sie gegangen war und wünschte sich, dass um die Ecke ihr Mann Richard käme und winkte, damit sie wenigstens zu zweit in ihrer Sehnsucht nach einer Heimat wären.

Es schüttelt mich bei dem Gedanken, bei dem Gedanken an die Einsamkeit meiner Oma am Ende ihres Lebens, dort wo sie am schlimmsten schmerzt. Ich muss mir eine Jacke anziehen gegen die Kälte, denke mir, dann kann ich auch gleich vor die Tür gehen, den Herbst genießen, wenn es Oma schon nicht mehr kann. Nie wieder werden wir gemeinsam spazieren, ein Gedanke so kalt wie der nahende Winter.

Ich schließe die Wohnung ab, wie ich schon viele Räume abgeschlossen habe in meinem Leben, und gehe hinein in den Stadtpark, durch das Spalier der Kastanien, sie heben die Äste zur Krone, stelle ich mir vor.

30 Mal bin ich umgezogen, das sind 30 verschiedene Hausschlüssel für 14 Städte auf 3 Kontinenten. Manche Schlüssel habe ich noch, manche habe ich verloren, manche weggeschmissen. Alle diese Räume, alle waren sie einmal neu, bis ich mich dort eingerichtet habe oder überstürzt abgereist bin.

Für jemanden mit so vielen Schlüsseln ist Heimat ein merkwürdiges Konzept. Es soll eine Raumorientierung sein, ein Bunker vor der Fremde.

Doch lässt sich nicht in der Fremde am besten die Heimat erkennen? Im Vergleich fällt einem doch vieles leichter. Und wie kann ich von Heimat reden, wenn ich meinen Anker an vielen Stellen im Weltmeer hab fallen lassen? Heimat hat keinen Plural, sagt der Dudendiktator.

Vorbei am Restaurant zu den Drei Teichen. Hier standen einst die Türken vor den Toren der Stadt, fast wäre es geschehen gewesen um die Heimat der Slowenen.

Schnell geht es bergauf, hinein in die Weinberge. Unten meinen Füßen knistern die Kiesel, ich senke meinen Kopf und denke an die Menschen, die auf den Treks während des zweiten Weltkriegs nach Heimat lüsteten, Menschen, die sich nicht fragen mussten, was das wohl sein, Heimat. Die hatten ganz andere Probleme.

Denke ich an Herder, dann ist Heimat ein Ort an dem ich mich nicht erklären muss. Halte ich es aber mit dem Russen Sinawski, dann ist Heimat kein geographischer Begriff. Man trägt sie in sich, schreibt er.

Oben an der Kapelle nehme ich Platz auf den Steinstufen und schaue auf die Stadt, die mir gerade Asyl bietet. Kann man eine Heimat neu gewinnen, so dass ihre Bilder später am Ende des Lebens zuerst auf dem See der Erinnerung schwimmt?

In Maribor bin ich zu kurz dafür, sagt mir meine Erfahrung als Flüchtling, und doch sind fünf Monate eine gute Zeit, um die Menschen lachen und weinen zu sehen, um den Regen zu verfluchen und die Sonne zu lieben, um Wein zu trinken und die Schatten länger werden zu sehen, um den Herbst den Sommer ablösen zu sehen. Nach einem Tag hat man vielleicht einen Geschmack von einer Stadt, aber er bleibt flach und ohne Körper. Ihr Bild entfaltet sich langsam, von Stunde zu Stunde.

Links, im Osten liegt Melje, die ehemalige Heimat von Fabriken und Arbeitern. Geradezu das jüdische Viertel, davor die Anlegestelle der Flößer, die immer nur für kurze Zeit Asyl suchten. Auf der anderen Drauseite sind Chinesen ganz weit weg von ihrer Heimat und irgendwo zwischen dem ganzen Gewühl aus rotdachigen Häusern warten Schwärme von Teenagern auf Startfreigabe, auf der Suche nach einem anderen Klima.

In anderen Zeiten war Heimat ein nüchterner Begriff. Jeder wußte, wo sie war. Dann kam die Industrialisierung, die Verstädterung und mit der Mobilität die Entwurzelung des Menschen, aufgefangen von der Romantik, die erst macht Heimat zur Sehnsucht. Es ist aber auch ein Wort, das so schön über die Zunge fließt: Heimat. Es hört sich gemütlich an, es bringt das Bild einer guten alten Zeit hervor, egal ob sie es tatsächlich war oder nicht.

Die Hügel Sloweniens erinnern mich an den Taunus, dort wo ich herkomme, eine Landschaft deren Geometrie mir immer ein Gefühl von zu Hause gibt, irgendwo tief im Innern, auch wenn der Geruch, der Stadt, der Straße und des Waldes ein anderer ist. Vielleicht fehlt nur hier und dort ein Molekül, doch es ist deutlich genug, um blind verkosten zu können.

Ich blicke nach drüben auf das Pohorje-Gebirge, denke an die Gräber in den dunklen Fichtenwäldern, denke an das Grab meiner Oma, die sich durchkämpfte und Stalin überlebte, damit ich mir hier an dieser Kapelle freie Gedanken machen kann. Was würde sie sagen zu meinen zahlreichen Asylgesuchen, zu meinen Umzügen, zu meiner Unsesshaftigkeit?

Ich weiß es nicht. Aber ich würde ihr sagen: Oma, das ist meine Versicherung gegen das Vergessen. Jeder Umzug schärft die Gedanken und die Sinne und lässt mein Leben in bessere Abschnitte teilen. Ich muss immer wieder neue Räume einrichten, damit ich nicht bequem werde.

Vielleicht würde sie dann sagen: So wirst du dich nie zu Hause fühlen.
Könnte sein, würde ich zugeben. Vielleicht aber, vielleicht gibt es doch einen Plural.

*Text aus der Lesung in Ljubljana

Montag, 22. Oktober 2012

Goldener Herbst und Gewalt

Maribor leuchtet gerade in den schönsten Farben, was für ein fantastischer Herbst, ich habe diese Jahreszeit in Israel wirklich vermisst.

Am Wochenende war ein Freund aus Deutschland zu Besuch. Zur Einstimmung auf Maribor sind wir erstmal rauf an die Urbankirche, von dort hat man einen tollen Blick über die Stadt. Und wie das an solch' schönen Stellen in Slowenien nun mal ist, gibt es dort oben auch einen Buschenschank, man sitzt auf Holzbänken, trinkt Wein, ißt hausgemachte Salami und freut sich des Lebens.


Abends sind J. und ich ins Fußballstadion, Maribor spielte gegen Ljubljana. Endlich wurde mir auch klar, warum bei fast jedem Spiel in der Stadt hier ein Polizeiaufgebot wie bei einem Staatsbesuch herrscht. Nicht nur, dass die "Fans" die ganze Zeit Bengalo-Feuer zünden und Kracher aufs Feld schmeißen. Nein, da hatte sich anscheinend auch schon die Polizei dran gewöhnt. Richtig rund ging es erst, als ein Maribor-Fan aus seinem Block ausbüxte, quer über das Spielfeld lief (was keiner der anwesenden Polizisten mitschnitt) und einen Bengalo in den Block der Fans aus Ljubljana schmiß.



Tja, wie reagierten wohl die Fans aus der Hauptstadt? Sehr gesittet. Rissen die Plastiksitzschalen aus den Verankerungen und schmissen sie auf die Polizisten. Das gab dann natürlich eine Menge Ärger: Die Polizisten rückten in den Block und räumten ihn. Alles andere als friedlich war das, Fäuste flogen, Schlagstöcke und noch mehr Plastiksitze. Zu Hause werden die "Fans" wahrscheinlich als Helden gefeiert; ich frage mich immer wieder, was diese ganzen Idioten untern den Fußballfans (natürlich ist das nur eine Minderheit, aber in der Summe aller in Europa schon wieder bedenklich) eigentlich tun würden, wenn sie nicht am Samstag ins Stadion könnten.



Am Ende jedenfalls gewann Maribor nach einem Spiel auf ein Tor und mein Freund J. war überrascht ob des diversen Programms an diesem Tag. 

Dienstag, 9. Oktober 2012

Living in a Box

Ich glaube, da wohnt jemand drin. Temporäres Kunstprojekt auf dem Maister-Platz. Allerdings schon drei Mal dran vorbei gefahren und nie jemand drin getroffen. Wird aber auch kalt gerade. Bewohner/in sitzt vielleicht im nächsten Café? Kakao mit Rum, anyone?

Montag, 8. Oktober 2012

Maribor-Ptuj-Maribor

Das allerbeste Herbstwetter am Wochenende. Morgens Nebel, knisternd kalt. Tagsüber sonnengold mit Balsamstrahlen.

Bin mit dem Rad von Maribor nach Ptuj. 30 Kilometer flußabwärts durch die Hügel mit ihren kleinen Kirchen und Weilern, schon nach fünf Kilometer so weit entfernt von der Stadt wie Maribor von der Küste.

In Ptuj mir den nach den Anstiegen sehr leeren Magen vollgeschlagen mit Ćevapčići und Lepinja, dann wieder zurück, in das immer schöner werdende Licht hinein.
















Donnerstag, 4. Oktober 2012

Maribor beautiful