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Montag, 17. Dezember 2012

Mein Mariborer Zimmer*

Meine letzten Tage in Maribor. Ich fange langsam an zu packen und wundere mich, wo denn der ganze Kram denn auf einmal herkommt.

Vor meinem Fenster hat der Winter dem Herbst das Kleid ausgezogen. An manchen Tagen fällt Schnee, leider noch zu weich, zu warm, er bleibt nicht liegen. Außer vielleicht auf dem Pohorje, und das ist ein Blick, den ich im flachen Berlin vermissen werde: wie diese schwere Waldschulter in das Land reinreicht, mächtig, aber nicht bedrohlich.

Was packe ich ein, was nehme ich mit, denke ich mir während der eine Koffer schon mit lauter Büchern gefüllt ist und ich langsam nicht mehr weiß, wohin mit den Klamotten, ich bin doch gar nicht mit so viel gekommen.

Zum Glück ist das meiste, das ich aus dieser Stadt mitnehmen werde, virtuell: die Bilder, die Momentaufnahmen, die mein Geist hier in Maribor gemacht hat, das sind die Dinge, die mit mir auf die Reise gehen, und die ich gleichzeitig vermissen werde.

Eben den Blick auf den Pohorje zum Beispiel. Oder der Blick aus meinen Fenster auf den Stadtpark.
Überhaupt der Stadtpark, der mir im Schatten seiner majestätischen, ausladenden Bäume erlaubt hat, klar wie selten zu denken, mich ein bisschen wie Epikur fühlen ließ, der einmal sagte: “Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.” Diese erdige und laubige Luft wird mir fehlen, ebenso wie um die Teiche zu schlendern, Enten zu füttern, bis mir eine Idee in den Kopf schießt, mich zu erschöpfen, indem ich mehrmals auf den Piramidenberg laufe und oben die Glocke läute, immer mit dem gleichen Wunsch, dann den Ausblick einatme, das Panorama sich in meine Seele brennt.

Ich werde meinen morgendlichen Weg in die Stadt vermissen, Graiska Ulica entlang, einen Gruß an die mächtige Platane entrichtend, die rauchenden Schüler drumherum, den Gang vorbei am Rittersaal, meinen Kaffee auf dem Schloßplatz und die fünf Minuten, in denen ich den slowenischen Frauen erst in die braunen Augen und dann auf den Arsch geschaut habe.

Jetzt, während des Packens, wäscht eine Welle der Erinnerung über mich, obwohl ich noch hier bin, in Sloweniens zweiter Stadt, die meine Nummer 1 war. Der Blick von der Stadtbrücke in den Sonnenuntergang, wenn die Berge anfangen bläulich zu schimmern und die Kirchturmspitzen von St. Urban und der heiligen Roaslia glühen.

Vielleicht werde ich gelegentlich an den Platz unter der Trauerweide neben dem Wasserturm denken, an dem ich so viele Stunden mit meinen Texten und vor allem einigen Gläsern Weißwein verbracht habe. Hm ja, der Weißwein, auch den werde ich vermissen, nicht allerdings den Wein der alten Rebe. Der kann mir, das muss mir erlaubt sein, gestohlen bleiben. Bevor ich am Donnerstag in den Zug steige, werde ich mir noch einen Apfelstrudel bei der Bäckerei Sonne in der Razlagova holen, vielleicht sogar zwei, weil dieser Apfelstrudel in seinem reichen Teig mit der ausladenden, barocken Füllung der beste ist, den ich je gegessen habe. Jeder Besuch bei mir aus Deutschland hat diesen Strudel zum Frühstück bekommen und jeder sagte mit vollem Mund: “Backen können sie anscheinend, die Slowenen.”

Die Slowenen können noch einiges mehr, vor allem sind sie ganz gut darin, das Leben zu genießen, auch wenn sie sich vielleicht gerne beschweren. Dennoch fallen sie oft spontan in ein weinseliges Lied, so dass man sie vielleicht auch als steirische Iren bezeichnen könnte.

Die Slowenen wohnen auf einem wundervollen Flecken Erde, von dem viele noch nichts wissen - warum?, frage ich mich und freue mich doch, weil ich so den Entdecker spielen konnte. Diese “hedonistische Lethargie” wie Andrej Brvar sie beschreibt, die werde ich wirklich vermissen.
Ebenso die kleineren Dinge wie das Wort “Pridi”, bei dem ich mich immer umdrehen musste, weil ich dachte jemand ruft nach mir. Meinen Namen höre ich nämlich eher selten. Dann sind da die dreikonsonantigen Zungenbrecher wie Trg oder Vrt und mein Lieblingswort Adrenalisnki. Gelegentlich werden sie mir bestimmt in den Sinn kommen, plötzlich und ohne Ankündigung und vielleicht werden dann auch in einer Gedankenecke Männer in Trainingsanzügen rumstehen, die versuchen an den schönen Frauen so wenig Interesse wie möglich zu zeigen.

Langsam leeren sich die Schubladen in meiner Wohnung auf Zeit. Dinge wandern entweder in den Koffer oder in den Papierkorb, da stoße ich auf den Anfang meiner Zeit in Maribor. Eine Tüte mit der Aufschrift - wie soll es anders sein? - Kulturhauptstadt 2012, mein Begrüßungsgeschenk. Es stand die ganze Zeit in der Ecke. Ehrlich gesagt, habe ich die ganzen Monate nicht mehr reingeschaut, doch jetzt beim Aussortieren, nehme ich dieses Metallstück in der Plastikpackung heraus. Ich hatte es am Anfang schon mal in der Hand, ich erinnere mich, und dachte es wäre einfach eine Plakette mit einer Inschrift, was man so halt produziert an Gedenkstücken eines großen Ereignisses. Jetzt öffne ich es ganz, und siehe, es ist ein Kreisel. Ein richtig schwerer Metallkreisel. Für die nächste halbe Stunde lenkt er mich vom Packen ab, ich fühle mich wie ein Kind mit einem Spielzeug und dennoch mit den Gedanken eines Erwachsenen, der gerade Abschied nimmt.

Jedenfalls lasse ich den Kreisel über verschiedene Oberflächen wirbeln, über den Küchentisch, das Linoleum, das Parkett im Wohnzimmer, den Steinboden auf dem Balkon. Holz mag der Kreisel am liebsten, dann windet er sich fast endlos, fast wie ein Perpeteuum Mobile, und während ich ihm dabei zuschaue, und meine Gedanken über Maribor und Slowenien ebenso in meinem Kopf kreisen, die Erinnerungen sich schon festigen, bevor sie komplett zur Vergangenheit gehören, denke ich an die Dinge, die ich nicht mehr geschafft habe: Ich wollte eine Nacht hoch oben im Wächterzimmer der Stadtpfarrkirche verbringen, hören und sehen und riechen, wie die Stadt aufwacht, lebt und später wieder zu Bett geht. Ich wollte mich unterhalten mit der Frau, die oft in der Gosposka steht, sich wiegt, a capella singt und dabei eine Perücke trägt. Mit dem Puppenspieler an der Ecke Jurčičeva gegenüber vom Müller wollte ich reden, mit dem Mann, der auf die Rückseite seiner Jacke Hammer und Sichel gestickt hat.

Ich wollte doch noch auf dem Pohorje zelten, ganz alleine im Wald, diesem fantastischen, dunklen, bedrohlichen, beschützenden Wald, der mich immer an die Märchen der Gebrüder Grimm denken lässt. Ich wollte doch noch die ganze Drau mit dem Fahrrad langfahren, wollte eine Kneipentour durch die kleinen Nachbarschaftsbars im alten Eisenbahnerviertel unternehmen, wollte klettern gehen im Karst, die marinblaue Soča entlangpaddeln, mit Boris Pahor und Slavoij Žižek reden.

Aber man kann nicht alles machen, so ist das nun mal. In ein paar Tagen werde ich dieses Zimmer, diesen Raum, den ich mir neu eingerichtet hatte, abschließen und nach Hause fahren. Den Schlüssel werde ich behalten und beim nächsten Mal das nachholen, wozu nun die Zeit fehlte. Bis dahin werde ich von meinen Erinnerungen zehren, wie mein Körper von den zahlreichen Apfelstrudeln.

*Text aus der Abschlusslesung in Maribor






Freitag, 14. Dezember 2012

Der Wendepunkt*

Entgegen meiner üblichen Gepflogenheit waren meine ersten beiden Wörter auf slowenisch nicht etwa “Danke” oder “Bitte”, sondern “Zavrtimo Skupaj”. Nicht weil ich mir das ausgesucht hätte, weil ich die beiden Wörter zusammen so gutaussehend fände und sie auch noch leicht auszusprechen wären. Nein, einfach weil sie das Motto der Kulturhauptstadt bilden: Der Wendepunkt.

Überall sprangen mir bei meinen Streifzügen durch die pflastersteinige Innenstadt diese beiden Wörter ins Gesicht, immer in Verbindung mit dem ebenfalls allgegenwärtigen Logo.

Irgendwann habe ich aufgehört darüber nach zu denken. Bis ich mich in stillen Stunden nicht nur mit mir sondern auch mit der Geschichte Maribors anfing auseinanderzusetzen.

Nach und nach merkte ich, dieser Wendepunkt, der die Stadt von einem ehemaligen Industriezentrum in etwas anderes verwandeln soll, er ist nicht der einzige in der Geschichte. Ganz im Gegenteil: alleine im 20. Jahrhundert hat sie dreimal ihre Identität gewechselt. Dazu muss man ja nur mal auf die Straßennamen schauen, wie Drago Jančar in seinem Buch “Nordlicht” schreibt: Aus der Goethestraße wird die Prešerenstraßen, dann löste ihn Goethe wieder ab, am Ende siegte aber doch der slowenische Dichter. So erging es den meisten Straßen und Plätzen in dieser Stadt, die immer wieder aus ihrer Identität gerissen wurde, durch das Zusammenbrechen von Reichen, durch Besatzungen, durch Befreiungen, durch das Platzen von großen Ideen und das kindstotplötzliche Sterben der Industrie. Ein Übermaß an Geschichte sozusagen.

Also ist die Stadt, die Stanko Majcen 1963 als eine von “Zwieblen, Knoblauch, Schweinfleisch, Geflügel und Fett” beschrieb, wieder an einem Wendepunkt. Ein neues Image soll her. Neues Leben. Eine neue urbane Identität, weg vom alten Industriezeitalter, mit Vorliebe in eine progressive, kreative und kulturelle Richtung. Und das ist eine ganz schön große Bestellung.

Vor ein paar Wochen saß ich im Publikum bei einer Podiumsdiskussion mit Leuten aus der EU und noch ein paar anderen Offiziellen und es ging darum, was der Titel Kulturhauptstadt für einen Ort bedeutet. Irgendwann döste ich ein bisschen, wachte aber auf, als die blonde Dame von der EU meinte, dass der Stadtschreiber dabei geholfen hätte Maribor auf der europäischen Karte zu verorten.

“Wirklich? Ich?” Ich hörte hin, ganz konzentriert jetzt, gar nicht mehr müde, war doch plötzlich ziemlich spannend das ganze.

Ja, wegen mir wäre Maribor nun ein Begriff in den kulturellen Zentren Europas, in Berlin, Paris, Barcelona, sogar in New York gebe es schon Bewegungen nach Maribor zu ziehen in diesen neuen Hotspot der Kreativität: Berlin, rück rüber! Und alles nur wegen meines Blogs.

Kaum zu glauben, dachte ich. Wußte gar nicht, dass so viele meinen Blog lesen. Ich schüttelte meinen Kopf und damit landete ich leider wieder in der Realität, die Dame zitierte Zahlen aus dem Tourismusbereich und referierte über Städte in England, die es geschafft hätten, diese Bürde der untergegangen Industrie abzulegen: Liverpool etwa, oder Manchester. Es war überhaupt keine Rede vom Stadtschreiber. Na gut, ein schöner Traum, ich döste wieder ein.

Ein paar Tage später dachte ich über meine Heimatstadt nach, über Rüsselsheim, ebenfalls eine traditionelle Arbeiterstadt, das große Opelhauptwerk hat es berühmt gemacht (zumindest in der Autobranche). Aber seit Jahren gehen die Produktionszahlen und damit die Arbeiterzahlen in den Keller. Die Stadt blutet aus und gerade im kulturellen Bereich tut sich nicht sonderlich viel. Sogar die heiligen Haupthallen stehen jetzt leer, einst Kathedralen des industriellen Zeitalters. Und was macht die Stadt? Sie diskutiert ernsthaft über ein neues Shoppingcenter. Als wäre Konsum die Lösung, Hauptsache die Leute können sich mit irgendwas beschäftigen. In diesem Sinne neide ich Maribor diesen Status, und ja, es ist nie sicher, was hinten bei rauskommt, aber irgendwas muss man ja probieren, nicht wahr? Hermann Hesse zum Beispiel sagte: “Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.”

Wendepunkt. Ich mag das Wort; erinnert mich irgendwie an Henry Miller an Alkohol, Zigaretten und Sex. Oh, Moment, das war Wendekreis des Krebses, nicht Wendepunkt.

Egal, jetzt sind die Gedanken da.

Passenderweise war Maribor für mich selbst auch ein Wendepunkt. Hatte ich vorher lange als Journalist gearbeitet - ein toller Job, aber auch scheiß’ stressig und die Krise in den Medien ist auch nicht wirklich lustig - kam ich nach Maribor mit einem Stipendium, das es mir erlaubte Abstand davon zu nehmen. Das tat ich. Genoß die Stadt, lernte sie und ihre Geschichte kennen, ging in Galerien und auf Konzerte, wanderte im Wald, aber am wichtigsten: ich konnte meine Gedanken in Stille entfalten und meine Stimme finden. Ideen nicht nur haben, sondern auch umsetzen und ausarbeiten. In aller poetischen Ruhe.

Ich habe das Gefühl gewachsen zu sein. Von dem, was ich von langjährigen Einwohnern höre, ist Maribor ebenfalls gewachsen. Und vielleicht wird es weiter wachsen, vielleicht aber auch schrumpfen, denn eines sollten wir nicht vergessen: es liegt in der Natur der Dinge, zu wachsen und zu schrumpfen, zu wachsen und zu schrumpfen. Städte, Länder, Nationen und Staaten steigen auf - und fallen auch wieder. So war es immer und so wird es wahrscheinlich immer sein.

Aber ich will an das Gute für Maribor glauben, daran, dass die jungen Leute hoffentlich nicht abwandern, nach Ljubljana oder ins Ausland, daran dass vielleicht einmal wieder Boote auf den Drei Teichen fahren, die Menschen an der neuen Promenade an der Drau flanieren. Vielleicht wird es sogar slowenische Restaurants in der Innenstadt geben, was mich persönlich sehr freuen würde, vielleicht wird Maribor aber auch zum Hauptquartier des Weintourismus in Slowenien, wenn die Welt erstmal merkt wie gut dieses Tröpfchen ist. Und das Wein und Kreativität zusammen gehen, wissen wir ja schon von den slowenischen Dichtern. Vor allem einer fällt mir da ein, wie heißt er noch mal, ja genau, Janko Glazer:

"Von allen Städten ist Maribor sicherlich am besten,

denn der Wein fließt in unsere Gläser

aus dem Osten und aus dem Westen"

*Text aus der Abschlusslesung in Maribor

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Maistrova Ulica 8a*

Zur linken befindet sich die Stadtverwaltung und das Büro des überhaupt nicht beliebten Bürgemeisters, zur Rechten der umso beliebtere Stadtpark, und das Haus selbst ist voller Nachbarn, von denen ich die meisten nie zu Gesicht bekommen habe.

Ich vermute sie sind älterer Natur und haben einen anderen Rhythmus als ich, stehen schon mit der Sonne auf auf, bleiben lange wach, weil sie nicht mehr schlafen können. Ab und zu sehe stehe selbst ich früh auf, und dann sehe ich eine alte Frau, die sich mit ihrem Einkaufswagen die Treppe hochquält. Als ich ihr beim ersten Mal Hilfe anbot, zuckte sie zusammen, als hätte ich gesagt: “Hände hoch”. Beim zweiten Mal das gleiche. Beim dritten Mal muss der Einkauf einfach zu schwer gewesen sein, sie ließ ihn mich hochtragen, warf dann aber, bevor ich mit ihr reden konnte, die Tür schnell vor meiner Nase zu. Das war Frau Mohorič.

Einen anderen Nachbarn rieche ich eher, als ich ihn sehe. Wenn er im Treppenhaus war, liegt für eine halbe Stunde der Geruch von 20 Zigaretten und einem Liter Wein pro Stunde zwischen dem Geländer und den Stufen.

Doch, ich erinnere mich: einen jungen Mann gibt es, den ich ab und zu sehe, wie er mit seinen beiden Hunden ins Treppenhaus kommt, einen davon drei Stockwerke hochträgt. Die Hunde sind ziemlich groß und riechen auch nicht gerade nach Rosen, aber der junge Mann hält den Hund immer so eng im Arm, so fest an seiner Brust, ich bin mir sicher, er hat keine Freundin.

Geruch ist aber ein gutes Stichwort. Jeden Tag riecht es bei mir im Treppenhaus anders. Aber ich rede jetzt nicht vom Tabak, vom Wein oder vom nassen Hund. Sondern von den Gerüchen, die aus brodelnden Töpfen hervorsteigen und sofort Bilder provozieren an Sonntage bei der Oma, wie sie da steht in Schürze und von einem Holzlöffel die Suppe probiert.

Aus irgendeiner der Wohnungen riecht es unheimlich verlockend und ich stelle mir das Essen deftig vor, wärmend, sättigend und immer zuviel.

Ich habe schon mehrmals versucht nasal die Quelle zu lokalisieren, aber ohne Glück. Dann dachte ich: vielleicht klopfe ich einfach an die Türen auf meinem Flur, aber was sollte ich dann fragen: Kochen Sie vielleicht gerade etwas Leckeres? Etwas Slowenisches? Nach der Türzuschlagaktion der alten Mohorič war ich mir nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre.

Neben dem Riechen sind die Ohren mein zweiter Radar für die Vorgänge in den Nachbarwohnungen, vor allem empfangen sie die Signale der Wohnung über mir, von den Ćivčeks.

Wenn ich morgens aufstehe, erwache von Träumen an meinen eigenen Weinberg in Slowenien, höre ich bereits den Fernseher oben laufen. Er läuft den ganzen Tag über in den Abend hinein. Dazwischen lassen Füße das Parkett knarzen, ich folge dem Geräusch in die Küche, spitze meine Ohren, bilde mir ein, dass ich Geschirr aneinanderklirren höre, vielleicht kocht die alte Dame Tee für sich und ihren Mann, bereitet ein kleines Tablett mit Keksen, Brot und Butter.

Immer nur höre ich die Stimmen aus dem Fernseher, nie die Stimmen der Nachbarn: ein altes Ehepaar, stelle ich mir vor, dass auf der Couch sitzt, das Arbeitsleben schon lange hinter ihnen und nun der Fernseher die einzige Waffe gegen die Einsamkeit des Alters.

Dann stelle ich mir vor, ob sie ebenso Geräusche aus meiner Wohnung wahrnehmen, ob sie hören, wie ich die Schränke auf und zu mache, mich erkundige nach der Person, die vorher hier lebte: eine alte Dame soweit ich weiß, ihre Bücher stehen noch im Regal, darunter Werke wie Held Tito, 200 Mittagessen, Das Lexikon der Balkonpflanzen, ein Buch über Marx, die Poesien des tragischen Prešeren. Im Flur ist ordentlich das Putzzeug verräumt, in einer Box Streichhölzer mit einem Bären drauf, die so alt sind, das eines nach dem anderen bricht.

Ich frage mich ob sie hören, wie ich mit den Töpfen hantiere, ein ganzes Set mit Blümchenmuster, deren Griffe glühend heiß werden, meine Oma hatte ganz ähnliche.

Hören sie wie ich mir abends Eiswürfel in ein Glas werfe, mir Vodka, Kaffeelikör und Milch zu einem White Russian mixe? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich wundern sie sich ab und zu über die laute Musik und darüber, dass sie sonst keine Stimmen hören.

Das konstante Tippen auf dem Computer werden sie wohl kaum hören, denke ich mir, das wäre bestimmt anders hätte ich eine Schreibmaschine, aber meine gute Olivetti befindet sich derzeit nicht in Maribor. Sie reist nicht gerne.

Eines Tages dann hatte ich gar keine Lust auf meinen üblichen White Russian, es war ohnehin zu früh, gerade mal 11 Uhr durch, vielleicht also eher ein Glas Wein - ganz slowenisch war ich schon geworden. Bei aller Ausstattung allerdings, in diesem meinen geborgten Haushalt befindet sich kein Korkenzieher. Tolle Gelegenheit die Nachbarn kennen zu lernen, dachte ich, fragte Google nach der Übersetzung und bin bewaffnet mit meinen neuen slowenischen Wörtern ein Stockwerk höher zu den Ćivčeks.

Ich klingelte und sah sogleich ein Auge das Guckloch verdunkeln. Ich versuchte mein freundlichstes Gesicht aufzusetzen, wahrscheinlich war das ein Fehler.

Die Tür ging einen spaltbreit auf, ich sah eine Dame mit grauen Haaren, und ich sagte meinen Satz auf, dazu hob ich die Flasche in die Höhe.

Frau Ćivček sah mich an, schaute auf die Flasche Wein, schüttelte mit dem Kopf und schloß die Tür.

Aha, dachte ich, das hatte ich mir anders vorgestellt. Dachte sie, ich wollte den Wein verkaufen? Kurz bevor ich gehen wollte, öffnete sich die Tür wieder. Wieder hob ich die Flasche in die Höhe, sagte meinen Satz.

Aaah, sagte sie, jaja, und bat mich plötzlich rein. Aus dem Wohnzimmer kam ihr Mann dazu, aus dem Fernseher hörte ich zwischen deutschen Stimmen immer wieder einen Hammer herunterfahren. Die beiden waren fleißige RTL-Schauer und fieberten mit den Fällen der TV-Richterin Barbara Salesch.

Eine Minute später redeten wir schon auf Deutsch, während ich noch die Flasche versuchte zu öffnen. Der Mann hörte eher zu, denn wenn er etwas sagte, kam seine Stimme wie aus einem Grab, irgendein Problem im Hals oder in der Lunge.

Ich bot den beiden ein Glas an. Frau Ćivček schaute auf die Uhr, dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: Warum nicht, es ist ja schon 11 durch.

Wir setzten uns gemeinsam auf die Couch und schauten Fernsehen, RTL, etwas, das ich zuhause nie machen würde, der Gedanke, dass so viele Menschen ihren Kopf mit diesem Unsinn zumüllen macht mich nämlich unendlich traurig.

Aber so saßen wir und tranken ein Gläschen und dann noch eines, bis Frau Ćivček die Kiste ausmachte und wir uns endlich unterhielten und ich mir dachte, wenn ich jetzt unten wäre, in meiner Wohnung, würde ich im Apartment 5 in der Maistrova Ulica 8 a zum ersten Mal menschliche Stimmen hören.

*Text aus der Abschlusslesung in Maribor

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Lesung Nr. 3

Doch mit einem kleinen Schuss Wehmut meine letzte Lesung in Maribor absolviert. Die Texte waren entsprechend alle etwas auf Abschied gebürstet: beim Packen und Aufräumen war ja noch mal richtig Zeit zur Reflektion der vergangenen Wochen und Monate.

Ich war sehr froh über die ordentliche Anzahl an Zuhörern, kein Vergleich mehr zu meiner Vorstellung als Stadtschreiber im Juni. Das waren noch Zeiten. Da lag alles noch vor mir, die Stadt, das Land, die Slowenen - alles war mir fremd.

Werde in den nächsten Tagen noch die Texte der Lesung hier veröffentlichen und dann und damit auch langsam aber sicher Adio Maribor sagen. 

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Der Tag, der in der Schublade verschwand*

Es ist 11 Uhr an einem Freitag im November, eigentlich ein normaler Arbeitstag, aber die Büros sind leer, das Schuften eingestellt.

Ich stehe in einem kleinen Kreis von Menschen direkt gegenüber dem Weinladen Vinag, von der Bühne dröhnt mir Umpahmusik in die Ohren, und jemand namens Roman füllt mir ständig meinen Plastikbecher mit Mariborčan nach.

In Maribor auf dem Schloßplatz scharrt sich das Volk um die Weinstände, trinkt, lacht, grölt, tanzt, isst. Um die Mittagszeit sehe ich bereits einige Nasen leuchten, rot wie Signalbojen.

Eine Frau, auch ihre Nase ist schon etwas, rot sagt zu mir: “Da kannst Du jemand das ganze Jahr nicht sehen, aber hier am Martinstag siehst Du einfach Alle!” Sie unterstreicht diesen Ausbruch mit einer Geste ihres Armes, der alle auf diesem Platz umfasst, dann wendet sie sich wieder ihren Freunden zu, sie reden slowenisch, davon verstehe ich leider nicht so viel, aber das ist egal, denn ich denke darüber nach, dass dieser Tag auch in Deutschland eine Bedeutung hat, wenn auch eine ganz andere: Es ist der Beginn der fünften Jahreszeit, des Karnevals, der bis zum Aschermittwoch geht. Getrunken wird also auch, nur viel viel länger. Gut, in Deutschland sind manche Dinge einfach größer als in diesem kleinen Land, in dem ich jetzt schon vier Monate lang bin. Meine Zeit ist fast vorbei, bald muss ich das Land, dessen Umrisse auf der Landkarte wie ein Huhn aussehen, verlassen und frage mich nun natürlich, ob ich von Slowenien nicht nur den Hals, die Brust und die Flügel kennengelernt habe, sondern auch die Innereien?

Von Anfang an wollte ich der Frage nachgehen, wie die Slowenen eigentlich so sind, wollte sozusagen ein paar Begriffe für meine persönliche Schublade. Ich weiß, die Beschäftigung mit Stereotypen ist ein unsicheres Gebiet. Walter Lippmann nennt sie zum Beispiel “eine erkenntnis-ökonomische Abwehreinrichtung gegen die notwendigen Aufwendungen einer umfassenden Detailerfahrung.”

Aha.

Aber ich war und bin einfach interessiert daran, etwas Festes, etwas Haltbares zu haben, wie der griechische Begriff impliziert. Vielleicht liegt das daran, dass ich so herzlich wenig wusste über Slowenien; für mich war es vor diesem Sommer ein böhmisches Dorf. Immerhin habe ich Slowenien nie mit der Slowakei verwechselt, wie etwa der weltgewandte George W. Bush.

Aus der Stadt, aus der ich komme, Rüsselsheim nämlich, eine Industriestadt Maribor nicht unähnlich, kannte ich Kroaten (und ihre Restaurants namens Dubrovnik oder Split, komischerweise immer mit dem Zusatz “Internationale Küche", als wäre die kroatische nicht genug), Serben, Bosnier und sogar Kosovo-Albaner. Aber keine Slowenen.

Ich gewöhnte mir als Stadtschreiber also an, die Frage nach den Stereotypen immer wieder zu stellen.

Wer könnte mir diese Frage besser beantworten, dachte ich, als der Bürgermeister von Maribor, Franc Kangler? Ich weiß schon, er ist unheimlich beliebt hier und in den folgenden Wochen sollte ich noch einige Demonstrationen gegen ihn miterleben. Trotzdem saß ich im Spätsommer mit ihm und einer Parlamentarierdelegation aus Deutschland an einem Tisch im City Hotel und Kangler redete und redete, vor allem redete er von den ganzen falschen Vorwürfen gegen ihn, von den Korruptionsverfahren und den Klagen der Vetternwirtschaft.

Dabei hatte ihn keiner danach gefragt.

Als schließlich der Wein der alten Rebe auf den Tisch kam, von dem ich geheime Fantasien hegte, eine Flasche geschenkt zu bekommen, endlich in einem Atemzug mit Clinton und Mandela genannt zu werden, fragte ich Kangler: Wie sind sie denn, die Slowenen?

Kangler trank einen Schluck von dem dünnen, körperlosen - wirklich, ist ja toll, dass die Rebe im Guinessbuch steht, aber der Wein geht gar nicht, dachte ich und war mir sicher, dass die Flasche immer noch ungeöffnet bei Clinton im Büro steht - jedenfalls trank der Bürgermeister einen Schluck, tat ganz geschmackvoll, und da wusste ich schon, das wird nichts mit der Antwort. “Ja”, sagte Kangler, “also ich habe einen deutschen Mercedes, 30 Jahre alt, fährt spitze, immer noch mit dem ersten Motor, sehr zufrieden bin ich. Mit den Japanern hingegen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht.”

So ging das noch eine ganze Weile. Wohl oder übel musste ich mein Glas austrinken, um einfach etwas bei dieser sinnlosen Antwort zu tun zu haben. Gut, der Bürgermeister wusste es also nicht, das war schon mal abgehakt.

Auf dem Schloßplatz holt mich jemand aus meinen Gedanken an den Bürgermeister und schenkt mir das Glas schon wieder voll. Dabei habe ich noch gar nichts gegessen, aber ich bin geneigt, mich den lokalen Gegebenheiten anzupassen.

In der Runde ist eine wilde Diskussion im Gange und ich frage Tina, worum es geht. Um Kangler, sagt sie. Um Kangler und seine Politik der tausend Autoblitzer. Angeblich würden sich die Leute die Nummernschilder überkleben, demonstrieren wollen, sie seien wütend, würden ihn am liebsten aus dem Rathaus und im Knast haben. Später werden sie vor seinem Amtssitz "Gotof Je" skandieren, Du bist fertig.

Dieser Kangler scheint ein ganz schönes Schlitzohr zu sein, denke ich mir, und werde daraufhin schon in den Innenhof von Vinag geschleppt. Unten hat es hier einen tollen Weinkeller mit einigen Fässern, die groß wie kleine Boote sind. Das Weinarchiv langte mal zurück bis in die Zeit der Jahrhundertwende. Dann kamen allerdings die Nazis, und man kann ja viel über sie sagen, aber nicht, dass sie keinen Geschmack hatten in Sachen Wein. Die müssen einige Gelage hier gefeiert haben. Jedenfalls fängt heute das Archiv pünktlich bei Jahrgang 1945 an.

Wir sind im Innenhof, an einer Bar, in der Mitte stehen Fässer hochkant, ein DJ aus der Pekarna spielt, der ehemaligen Militärbackerei, die jetzt ein alternatives Zentrum ist. Das Publikum ist jünger als draußen auf dem Platz, aber ebenso betrunken.

“Hey”, sagt der Typ neben mir, “Ich bin Tomasz”, haut mir zuerst auf den Rücken und dann schenkt er mir ein Glas ein. Tomasz muss sich schon an dem Fass festhalten, seine Augen sind glasig und er redet entsprechend darauf los. Er ist Architekt, seine Frau Arzt, aber eigentlich ist alles scheiße und die Präsidentenwahl am Sonntag interessiert ihn auch nicht. Er macht eine abfällige Geste und sagt: “Scheiß Politiker, die kennen sich alle hier in Slowenien, das Land ist viel zu klein, viel zu klein”, sagt er und schüttelt den Kopf. “Und dieser Kangler, den haße ich am allermeisten, von allen Politikern in ganz Slowenien. Mafia! Alles eine Mafia!”, ruft er aus, schwankt und findet wieder Halt am Fass.

Ich erinnere mich an eine Zugfahrt von Ljubljana nach Maribor. Ich saß mit einer hübschen brünetten jungen Frau im Abteil - ihr Name war Lorna - wir unterhielten uns über Slowenien und irgendwann während der langen Fahrt stellte ich ihr meine Frage. Neidisch seien die Slowenen, sagte Lorna. Neidisch und kleinbürgerlich. Selbstmordgefährdet obendrein.

Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich wartete, ob in der Aufzählung noch Platz war für ein paar positive Begriffe, aber da kamen keine mehr. Wer würde sich denn so bezeichnen?, dachte ich. Auf der anderen Seite, Lorna hatte ja “sie” gesagt und nicht “wir”.

Daran musste ich denken, als Tomasz gerade seine Tirade gegen den Staat beendete. “Wieso gehst Du nicht in die Politik”, frage ich, “wieso änderst du nicht etwas?” aber Tomasz guckt mich nur an, als hätte ich vorgeschlagen als nächstes ein Glas Wasser zu trinken.

Wir holen Natalia in unsere Runde, eine Russin aus St. Petersburg, die für paar Tage in der Stadt ist, an der Uni unterrichtet, sehr jung und beängstigend klug ist. Ja, auch sehr hübsch.

“Immer beschweren sich die Slowenen”, sagt sie, “dabei haben die es hier doch so schön! Ich verstehe das nicht.” Tomasz leert seinen Becher, dann sagt er mit noch nassen Lippen: “Wir beschweren uns halt gerne.”

Schnell schenkt uns Tomasz die Gläser wieder voll, damit uns die Füße nicht abfrieren, eine reine Schutzmaßnahme, wie er sagt. Wir stoßen an, auf die Vereinfachung der Vielfalt, auf dass Vorurteile schwerer zu spalten sind als ein Atom. Wer hat das noch mal gesagt? Na ja egal, bisschen spät am Abend für richtiges Zitieren. Wir reden und philosophieren über den deutschen Michel, die französische Marianne, Uncle Sam und Kranjski Janez.

Neulich hatte ich in einem Reiseführer im Kapitel Kultur über die Slowenen gelesen, dass zwei Begriffe immer wieder zu ihrer Beschreibung herangezogen werden: priden (fleißig) und hrepenenje (Sehnsucht). Ich bin mit diesen Begriffen hausieren gegangen, bin aber auch sie nirgends losgeworden.

Inzwischen ist es dunkel und ich habe schon das 10, vielleicht auch das 20. Glas in der Hand. Tomasz tanzt wie ein Narr an Karneval durch die Gegend, Natalia philosophiert über die Liebe der Russen für den Moment und die Gastfreundlichkeit, ich versuche mit schönen Sloweninnen zu flirten, aber meine Augen kreuzen sich leider schon, also höre ich France zu, das ist Tomasz Bruder, Journalist, und der kann mir einiges erzählen, vor allem ist er noch klar im Kopf, hat kaum was getrunken - ungewöhnlich für einen Journalisten - und füllt deswegen meine Stereotypendatenbank mit den folgenden Adjektiven: naturverliebt seien die Slowenen, familienverbunden, diszipliniert, ehrlich, melancholisch, sportbegeistert, genußorientiert, introvertiert.

Gott sei Dank, denke ich, gott sei dank. Doch kein Volk am Abgrund. Ein bisschen bin ich in meinem alkholischen Stupor auch stolz auf mich, denn Frances Aussagen decken sich mit meinen persönlichen Erfahrungen, nur konnte ich mir ja nicht anmaßen, über die Slowenen zu urteilen, oder?

Beim Stichwort introvertiert, jedenfalls, stolpert Tomasz wieder in unsere Runde. “Ein Toast”, schreit er, als wäre ein Krieg gerade zu Ende, “ein Toast!” und füllt die Gläser auf. Ich weiß wie nichts anderes auf dieser Welt, dass der Kater morgen nicht schön sein wird, denke darüber nach, ob die Slowenen wohl ein Wort und auch noch gleich eine Kur dafür haben, da ruft Tomasz wieder: “Ein Toast, ein Toast!”

Leider kann ich mich an den Toast nicht mehr erinnern. Ab da habe ich einen Filmriss. Ich weiß nur noch, beziehungsweise ich fühle es, dass France etwas sehr schlaues gesagt hatte, etwas, dass die ganze Diskussion davor um die Slowenen und ihr Inneres wunderbar zusammen gefasst hat, aber ich will verdammt sein, wenn ich es noch zusammen kriegen würde. Vielleicht ist das ja auch ganz gut so. Der Wunsch die soziale Wirklichkeit irgendwie zu bündeln ist doch auch so lustlos, so banal, ja schon fast gemein. Wie hat Friedrich der Große so schön gesagt: Jeder nach seiner Fasson. Ein schöner Spruch, an den kann ich mich sogar mit dem größten Kater erinnern. Autsch.

*Text aus der Lesung an der Uni Maribor

Montag, 3. Dezember 2012

Erzähl mir was

Am vergangenen Freitag war es mal an der Zeit für ein kleines Experiment: ausgehend von der Prämisse, dass wir alle narrative Wesen sind, unsere Leben wie eine Geschichte stricken, es sequenzieren, weglassen und hinzufügen, so daß vieles (vielleicht sogar alles) im Rückblick etwas außerordentlich Stringentes hat, wollte ich wahllos Menschen bitten, mir eine Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen.

Also habe ich mir einen Tisch besorgt, mich in einen der Ausstellungsräume gesetzt, mein Mikrofon aufgestellt und professionell in die Gegend geschaut. 

Mir war schon klar, dass ich eine Alternative vorbereiten muss, einen Fragebogen zum Beispiel, weil manchen die Bitte "Erzähl mir etwas" (verständlich auch) bestimmt überfordern würde.

Hier ist ein Auszug der Ergebnisse:


Maja, 29. Volonteer 

Wer ist Dein Lieblingsautor? 

Hermann Hesse

Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?

Das Ende meiner letzten Beziehung. Ich habe Schluss gemacht und das war sehr wichtig für mich, endlich loszukommen. Danach habe ich bei einem kroatischen Film gearbeitet, auf einer Insel, und das war unheimlich befreiend, säubernd. Meine ganze Energie hat sich dadurch geändert, von negativ zu positiv.

Was ist Dein Traum vom Glück?

Frieden. Aber den muss jeder in sich selbst finden.

Hast Du ein Lebensmotto?

Versuche in Allem das Gute zu finden.

Was gefällt Dir an Maribor?

Die Energie. Ich mag' die kleinen Dinge hier.


Jasna, 60. Künstlerin


Ich arbeite in meinem Bereich jetzt seit 40 Jahren, habe an der Kunstschule in Ljubljana studiert, bin dann nach Indien und schließlich nach Maribor. Ich war immer selbständig, habe nie einen Job gehabt, das ist doch schon ein Erfolg an sich, oder?

Jetzt ist es wie das Ende eines Marathons. Es war nicht einfach, weil ich nicht wußte, wie man mit dieser Bürokratie umgeht. Künstler sind selten gute Bürokraten, es ist wichtiger, dass wir uns ausdrücken. Trotzdem habe ich es geschafft hier und jetzt zu landen und nun habe ich jede Menge Referenzen. Meine ganzen anderen Künstlerkollegen hat der Papierkram nur abgeschreckt.

Ich habe eine kleine Galerie in der Stadt, in der ältesten Straße, unten an der Drau, früher war das mal das jüdische Viertel, bevor sie vertrieben wurden.

Diese alten Mauern reden mit mir und ich höre zu. Irgendwie kommen viele Anhänger von Alistar Crowley zu mir, vielleicht weil er viel mit Kabbala gemacht hat.

Es herrscht da eine eigentümliche Energie, ich glaube wie an jedem Ort, an dem Menschen tausende von Jahren entlang gelaufen sind.

An jedem 25. habe ich ein kleines Happening. Ich sage zu den Seelen da draußen, worauf wartet ihr, das Jahr geht zu Ende, wir müssen die Energie ändern, die schlechten Sachen müssen raus.


Alenka, 26. Politik-Dozentin 


Wer ist Dein Lieblingsautor?

Boris Pahor

Welches Ereignis in Deinem Leben würdest Du als wegweisend bezeichnen?

Der Moment als ich zum ersten Mal in die USA geflogen bin, ganz alleine. Ich wußte nicht, was ich erwarten sollte, ich hatte noch nicht mal eine Telefonnummer, die ich anrufen konnte. Ich wußte, dass es mein Leben verändern würde - ich hatte davor ein schlimmes Jahr - weil ich zum ersten Mal richtig alleine war. Ich fühlte mich sehr klein, auf der anderen Seite aber sehr stark. Es gab nur mich, keiner kannte mich und so konnte ich mich selbst entdecken. Also habe ich nur das gemacht, worauf ich Lust hatte. Wollte ich alleine ins Kino oder in den Park ein Buch lesen, dann habe ich es halt gemacht. In Maribor ist mir das nie so gelungen; immer will jemand was von dir, erwartet etwas von dir. Ich habe so viel alleine gemacht; ich würde sagen, es hat mich geprägt, weil ich zum ersten mal mutig genug war, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und auch Nein zu anderen Leuten zu sagen. Ich fühlte mich wirklich frei. Danach wurde alles einfacher.

Was ist Dein Traum vom Glück?

Am wichtigsten ist es, zufrieden mit sich zu sein, 100 Prozent. Die Momente des Glücks sind immer kleine Momente, finde ich. Wie beim Wandern oder mit der Familie. Hättest Du vor drei Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Der perfekte Partner, guter Job, genug Geld und zwei Urlaube pro Jahr.

Hast Du ein Lebensmotto?

Du musst im Moment leben, auch wenn das sehr viel Übung erfordert.

Was gefällt Dir an Maribor?

Der Komfort einer kleinen Stadt. Du weißt immer wohin. Es ist ruhig, die Natur ist nah, perfekt um Kinder groß zu ziehen. Ich liebe den Piramidenberg, vor allem wenn ich alleine dort oben bin.


Igor, 35. Dichter 


Vor ein paar Jahren war ich mit ein paar Freunden abends in Maribor aus. Wir sind in die Poststraße und haben uns erst beim Bosnier und dann im Tildos fürchterlich betrunken. Dann sind wir durch die Stadt gezogen, schon ziemlich am Torkeln. Irgendwann sind wir vor einem Schaufenster gelandet und haben uns die Jacken für den Winter angeschaut. Ich brauchte unbedingt eine, aber hatte kein Geld. Also dachten wir uns, es ist drei Uhr morgens, keine Polizei weit und breit, schmeißen wir die Scheibe ein.

Wir besorgten und Pflastersteine und haben genau das gemacht. Als die Alarmanlage los ist, sind meine Freunde abgehauen, nur ich bin geblieben, weil ich unbedingt diese Jacke haben wollte. Allerdings war die Polizei doch nicht so weit weg und hat mich dabei erwischt. Das war so ziemlich der peinlichste Moment in meinem Leben.

Es hatte aber sein Gutes. Ich musste die Nacht auf der Polizeiwache verbringen und als ich langsam nüchtern wurde, schwor ich mir, nie wieder so einen Scheiß zu bauen und mich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Das war vor ein paar Jahren und heute kann ich tatsächlich vom Dichten leben. Nicht ausufernd aber immerhin. Ich sage immer: Ein Künstler lebt nur ein kleines bisschen besser als ein Clochard.

Freitag, 23. November 2012

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit*

Unterwegs in Maribors Wäldern, langsames Gehen zwischen Platanen, Sommerlinden und Rotbuchen. Wenn man mal darüber nachdenkt, gibt es unheimlich viele schöne Baumnamen, ein ganzes Kompendium, das den meisten vielleicht fremd ist. Das gilt auch für die Pilze, die gerade Saison haben, die in den Wäldern gepflückt werden von Männern mit Mützen und Zigaretten im Mundwinkel: Scheibenstreiflinge, Stockschwämmchen, flockenstielige Hexenröhrlinge.

Die Schritte durch das Laub setze ich in einer Geschwindigkeit, in der es sich behende denken lässt. Irgendwas an dieser Tempo-Gedanken-Kombination fühlt sich natürlich an, ursprünglich. Bruce Chatwin, der britische Reiseschriftsteller sagte einmal, “Das Leben ist eine Reise, die am besten zu Fuß bewältigt wird.” Ich bin geneigt, ihm Recht zu geben.

Nur, diese Art des Gehens, das auf das Diktum “je länger desto besser” angewiesen ist, sie kostet Zeit.

Genau die Art Zeit, die viele nicht mehr haben. Früher habe ich von meinen Freunden immer gehört “nee, können wir nicht machen. Kein Geld.” Heute heißt es hingegen immer “nee, geht nicht. Keine Zeit.”

Durch einen Wald von Stieleichen komme ich zu einer Kapelle und lese die Inschrift. Sie ist Station eines Kreuzwegs, den die Überlebenden der Pest in Maribor im Jahre 1683 gebaut haben. Ich folge dem Weg, denke an diese gläubigen Menschen, für die der Aufenthalt im Diesseits noch nichts weiter als eine Durchgangsstation war. Das wahre Leben, das war hinter den Toren aus Perlmutt.
Heute sehen das die meisten anders. Und doch verschwenden wir unsere Zeit. Indem wir sie nicht ausnutzen.

Jeder Europäer schaut im Durchschnitt 232 Minuten Fernsehen pro Tag. Umgerechnet auf ein ganzes Jahr sind das etwa 45 Tage vor dem Bildschirm, Tag und Nacht. Ist das nicht traurig? Und trotzdem hat keiner Zeit?

Das schlimme am Älterwerden ist, dass sich das Empfinden für Zeit ändert. Sie vergeht schneller. Manchmal höre ich mich schon an wie meine Mutter, wenn ich sage: Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. Meine Mutter freut sich natürlich über meine neu gewonnen Einstellung und nickt.

Plötzlich stoßen Begriffe wie “früher” und “damals” an die Oberfläche. Begriffe, die es im Vokabular eines Teenagers genauso wenig gibt, wie eine Antwort auf die Frage nach dem Ende des Universums.

Der Weg führt einen Berg hinauf, ein schmaler Streifen von festgetretener Erde, an manchen Stellen die quetschenden Hufspuren von Pferden. Kavalirje nennt sich dieser Hügel und auf der Spitze haben die Überlebenden eine Kirche gebaut. Die ganzen Steine hier hoch geschleppt, an der Außenwand der Kirche der heiligen Barbara und Rosalia Statuen von Jesus und Maria angebracht. Ein Ort, der grimm-märchenhaft im Wald lauert, überwachsen von den Kronen der Linden. Zeitlos setze ich mich auf eine Bank davor.

Was könnten wir erreichen, wenn wir unsere Zeit nicht so verschwenden würden? So vieles verschieben wir auf morgen, planen es in fünf, in zehn Jahren, wenn mal Ruhe dazu ist, wenn mal Zeit dafür da ist; vielleicht sind wir aber dann schon längst andere Menschen geworden.

Die Revolutionen und die Kriege der Vergangenheit haben uns in die freiste Gesellschaft aller Zeiten gebracht. Frei im Handeln, frei in Gedanken, gelenkt von Kant und Kyrene. Sicher verankert in einem Sozialsystem, nach dem sich Bewohner von vergangenen Jahrhunderten die Finger lecken würden. Irgendwann werden wir zurück schauen und uns fragen, wo die Zeit geblieben ist. Vielleicht werden dann schon die schlechten Zeiten angebrochen sein.

Wenn nur jeder Zweite so eine (metaphorische) Kirche bauen würde, wenn wir uns wieder konzentrieren würden auf die wirklich wichtigen Dinge, wir uns wieder Ziele stecken würden, wenn wir Abenteuer planen und sie ausführen würden, wenn wir mehr Energie und Zeit investieren würden, um diese Welt zu verbessern - wir wären sicherlich zufriedener. Vielleicht sogar glücklich.

Aber das alles braucht Zeit, wie guter Wein. Und wenn ich mir anschaue, wie ich selbst oft mit meiner Zeit umgehe, wie Freunde von mir sie nicht schätzen, wie Bekannte und andere Menschen der Zeit nicht befehlen, ihnen Untertan zu sein, muss ich an einen Spruch denken, den ich vor vielen Jahren von einem Soldaten gehört habe, der mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. In Afghanistan sagt man: Die im Westen haben die Uhr, aber wir haben die Zeit.

*Text aus der Lesung in Ljubljana

Donnerstag, 22. November 2012

Der Stadtschreiber in der Zeitung

Der Večer hat sich der Lesung in der vergangenen Woche angenommen und einen Artikel darüber veröffentlicht. Ist zwar auf slowenisch (klar), aber das sollen ja einige hier beherrschen. Ich habe mir den Text selbst durch den Übersetzer von Google gejagt, und soweit ich das beurteilen kann wurde ich nicht beschimpft. Ni slabo.

Hier gibt es auch eine Online-Version, die ist aber anscheinend nicht ganz vollständig.

Dienstag, 20. November 2012

Lesung Nr. 2

Das war eine ganz andere Nummer als die erste, damals in Ljubljana. Diesmal war die Lesung gleich Teil eines Seminars am Germanistik-Institut der Universität in Maribor und lief unter dem Titel "Archäologie der Fremde".

Ich wußte vorher nicht so genau, was mich erwarten würde. Der Prof. Dejan Kos hatte mir zwar gesagt, dass die Studenten etwas in der Richtung von Essays vorbereiten würden, aber ich war dann doch überrascht, als mir klar wurde, dass sich da Referatsgruppen gebildet hatten, die sich einzig und allein mit mir und dem Blog des Stadtschreibers beschäftigen mussten.

Also: ich fühlte mich wirklich sehr geehrt, auch wenn ich natürlich weiß, dass diese Entscheidung von den Studenten nicht freiwillig getroffen wurde. Aber die meisten haben sich wirklich Mühe gegeben: sezierten meinen Blog nach den Gesichtspunkten "Geschichte, Kulinarik, Sport, Bildung und Kultur", zitierten aus meinen Texten (Wahnsinn!) und stellten mir eine Menge kluge Fragen.

Nach dieser sehr interaktiven Phase, für die ich mich hier nochmal bei den Studenten bedanken möchte, habe ich ein paar neue Texte gelesen. Vor allem eine Geschichte über den Martinstag, den unbeliebten Bürgermeister (hätte nicht gedacht, dass allein sein Name solch' eine Reaktion auslösen kann) und Stereotype über Slowenen schien ziemlich gut angekommen zu sein, mal nach dem Gelächter beurteilt und wenn Studenten lachen ist ja schon was gewonnen - außer sie haben über mich gelacht.

Mein Dank gebührt auch Dejan Kos für die Idee und das inspirierende Eingangsreferat, sowie Veronika Haring für die Organisation. Hvala lepa.

Allerdings, bei aller Freude, eines ist mir dann doch negativ aufgefallen: im Gegensatz zu meiner ersten Lesung gab es für den Stadtschreiber keinen Whisky. Gut, vielleicht ist um die Mittagszeit auch einfach zu früh dafür.

Montag, 12. November 2012

Fahrraddiebe

Oh Mann, wie peinlich mir das ist. Der außerordentlich nette, hiesige Germanistikdozent hat mir sein Fahrrad geliehen, damit ich mir nicht immer die Füße wundlaufen muss. Ein richtig gutes Mountainbike war das. Hatte extra noch mein Schloss aus Berlin mitgebracht, weil mir die örtlichen bisschen zu dünn vorkamen (und ich deswegen dachte, na, Diebstahl scheint hier nicht das Problem zu sein). Falsch gedacht. Seit Samstag ist es weg. Schön vorm Fitness-Studio die Schlösser mit dem Bolzenschneider durchgeschnitten.

Das ganze Desaster hat mich dann immerhin zu meiner ersten Erfahrung mit der slowenischen Polizei geführt. Direkt angerufen (vielleicht erwischen sie den Dieb ja noch), die Polizei sagt, ja, wir kommen vorbei. Allerdings sagen sie nicht wann. Nach 45 Minuten erfolglosem Warten bin ich dann selbst auf die Wache gegangen.

Dort durfte ich schon wieder warten. Schließlich kamen zwei Streifenpolizisten und nahmen den Fall auf. Aber nicht ohne mir das Gefühl zu geben, dass ich der Verbrecher sei. War irgendwie eine ostige Erfahrung. Haben nämlich auch schnell nachprüfen wollen, wo ich vorher war, und ein Anruf genügte um rauszufinden, dass ich vor zwei Monaten in einem Hotel in Jeruzalem, einem kleinen Weinort hier im Osten, übernachtet habe. Das fand ich doch bisschen gruselig.

Na ja, so ist das gerade. Ätzend. Wer also ein rot-weißes Mountainbike der Marke Vertiec durch die Gegend fahren sieht....

Donnerstag, 8. November 2012

Das Ende naht

Wie der Herbst geht auch langsam meine Zeit hier in Maribor zu Ende. Im Dezember werde ich wieder in Deutschland sein; jetzt sitze ich gerade an der Vorbereitung von zwei Lesungen, sortiere die Themen, über die ich noch vor meiner Abreise aus dieser schönen Stadt schreiben will.

Und während ich so über meinen Papieren brüte, dachte ich, falls jemand von Euch noch etwas hat, über das ich unbedingt schreiben sollte, dann her mit dem Vorschlag. 

Montag, 29. Oktober 2012

Bleder See

Da fährt man so durch Slowenien und fragt sich, wo die ganzen Touristen sind, da antwortet der Bleder See: hier!

Der See an sich ist wunderschön, warm noch dazu, aber fast die ganze Uferpromenade ist verbaut, der Verkehr zwängt sich durch die kleinen Straßen, nervt, und man hat das Gefühl, alle Touristen in Slowenien sind jetzt gerade hier an diesem See, der früher einmal der Sommersitz der jugoslawischen Königsfamilie war. Noch früher allerdings hatte sich jemand überlegt, den See zu leeren, um an den Ton auf dem Boden zu kommen, zwecks Backsteinherstellung.

Ganz offensichtlich wurde es nichts mit diesem Plan, stattdessen ist der See gesäumt mit Hotels, Spas und Restaurants. Das heißt, man muss die Augen und die Ohren ein bisschen zukneifen, die Touristen und den Lärm ausblenden, sich ein paar Jahrhunderte zurück versetzen, dann hat man das richtige Gefühl für diesen See.




Freitag, 26. Oktober 2012

Heimat*


Vor meinem Fenster schüttelt sich die Blautanne im Wind, krappbraune Kastanienblätter fegen durch die Luft, die Sonne verstrahlt Chromorange. Blätter sinken zu Boden und warten auf Kinder, die mit ihren tapsigen Füßen hindurchknarzen.

Aus meiner Wohnung am Stadtpark sehe ich ihn, wie er diese Stadt betritt, verneige mich und sage: Guten Tag, Herr Herbst.

Ich bin gerne in seiner Gesellschaft, schaue aus dem Fenster während die Sonne jeden Morgen den Nebel verbrennt, sitze an meinem Fenster wie damals meine Oma. Die saß dort jeden Tag in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, in einem anderen Geist.

Sie saß dort viele Jahre, ihr Mann - mein Opa - war gestorben, sie vermisste ihn und sein Winken, wenn er von der Arbeit kam, sie vermisste sein Geschick am Bau eines Schwarzbrotes mit einer ersten großzügigen Etage aus Hüttenkäse und einem Dach aus Kirschmarmelade.

So lange hatte sie darauf gewartet, in dieses Deutschland zu kommen, in die alte Heimat, hatte im Kopf immer die Koffer gepackt, den Namen geflüstert als sie im Straflager in Sibirien im Winter nichts anderes zu essen hatte, als das Leder der Schuhe.

Irgendwann Alice, sagte der Vater zu ihr, gehen wir zurück in die Heimat. Irgendwann sind wir dort, wo wir hingehören.

Und trotz des Hungers und des Durstes, trotz der Kälte, der Läuse und den ständigen Beleidigungen, den Strafen und den sterbenden Freunden - so geschah es.

Eines Tages unterhielten wir uns bei einem Stück Napoleontorte in ihrer Küche, am Fenster, über diesen Moment des Grenzübertritts von einer Idee in eine andere. Was das Schönste sein sollte, endlich heimzukehren, platzierte sie in einen Zwischenraum, den sie nie wieder verlassen hatte. “Weißt Du”, sagte sie, “der Himmel hing in Deutschland doch nicht voller Geigen.” In Russland war sie die Fritzenbrut, eine Verräterin - in Deutschland, ihrer Heimat, nach der sie sich so viele Jahre gesehnt hatte, die sie sich in einem mentalen Bilderbuch - schön bunt - ausgemalt hatte, hier war sie die Russin.

Am Ende saß sie am Fenster und schaute die lange Straße hinab, die sie gegangen war und wünschte sich, dass um die Ecke ihr Mann Richard käme und winkte, damit sie wenigstens zu zweit in ihrer Sehnsucht nach einer Heimat wären.

Es schüttelt mich bei dem Gedanken, bei dem Gedanken an die Einsamkeit meiner Oma am Ende ihres Lebens, dort wo sie am schlimmsten schmerzt. Ich muss mir eine Jacke anziehen gegen die Kälte, denke mir, dann kann ich auch gleich vor die Tür gehen, den Herbst genießen, wenn es Oma schon nicht mehr kann. Nie wieder werden wir gemeinsam spazieren, ein Gedanke so kalt wie der nahende Winter.

Ich schließe die Wohnung ab, wie ich schon viele Räume abgeschlossen habe in meinem Leben, und gehe hinein in den Stadtpark, durch das Spalier der Kastanien, sie heben die Äste zur Krone, stelle ich mir vor.

30 Mal bin ich umgezogen, das sind 30 verschiedene Hausschlüssel für 14 Städte auf 3 Kontinenten. Manche Schlüssel habe ich noch, manche habe ich verloren, manche weggeschmissen. Alle diese Räume, alle waren sie einmal neu, bis ich mich dort eingerichtet habe oder überstürzt abgereist bin.

Für jemanden mit so vielen Schlüsseln ist Heimat ein merkwürdiges Konzept. Es soll eine Raumorientierung sein, ein Bunker vor der Fremde.

Doch lässt sich nicht in der Fremde am besten die Heimat erkennen? Im Vergleich fällt einem doch vieles leichter. Und wie kann ich von Heimat reden, wenn ich meinen Anker an vielen Stellen im Weltmeer hab fallen lassen? Heimat hat keinen Plural, sagt der Dudendiktator.

Vorbei am Restaurant zu den Drei Teichen. Hier standen einst die Türken vor den Toren der Stadt, fast wäre es geschehen gewesen um die Heimat der Slowenen.

Schnell geht es bergauf, hinein in die Weinberge. Unten meinen Füßen knistern die Kiesel, ich senke meinen Kopf und denke an die Menschen, die auf den Treks während des zweiten Weltkriegs nach Heimat lüsteten, Menschen, die sich nicht fragen mussten, was das wohl sein, Heimat. Die hatten ganz andere Probleme.

Denke ich an Herder, dann ist Heimat ein Ort an dem ich mich nicht erklären muss. Halte ich es aber mit dem Russen Sinawski, dann ist Heimat kein geographischer Begriff. Man trägt sie in sich, schreibt er.

Oben an der Kapelle nehme ich Platz auf den Steinstufen und schaue auf die Stadt, die mir gerade Asyl bietet. Kann man eine Heimat neu gewinnen, so dass ihre Bilder später am Ende des Lebens zuerst auf dem See der Erinnerung schwimmt?

In Maribor bin ich zu kurz dafür, sagt mir meine Erfahrung als Flüchtling, und doch sind fünf Monate eine gute Zeit, um die Menschen lachen und weinen zu sehen, um den Regen zu verfluchen und die Sonne zu lieben, um Wein zu trinken und die Schatten länger werden zu sehen, um den Herbst den Sommer ablösen zu sehen. Nach einem Tag hat man vielleicht einen Geschmack von einer Stadt, aber er bleibt flach und ohne Körper. Ihr Bild entfaltet sich langsam, von Stunde zu Stunde.

Links, im Osten liegt Melje, die ehemalige Heimat von Fabriken und Arbeitern. Geradezu das jüdische Viertel, davor die Anlegestelle der Flößer, die immer nur für kurze Zeit Asyl suchten. Auf der anderen Drauseite sind Chinesen ganz weit weg von ihrer Heimat und irgendwo zwischen dem ganzen Gewühl aus rotdachigen Häusern warten Schwärme von Teenagern auf Startfreigabe, auf der Suche nach einem anderen Klima.

In anderen Zeiten war Heimat ein nüchterner Begriff. Jeder wußte, wo sie war. Dann kam die Industrialisierung, die Verstädterung und mit der Mobilität die Entwurzelung des Menschen, aufgefangen von der Romantik, die erst macht Heimat zur Sehnsucht. Es ist aber auch ein Wort, das so schön über die Zunge fließt: Heimat. Es hört sich gemütlich an, es bringt das Bild einer guten alten Zeit hervor, egal ob sie es tatsächlich war oder nicht.

Die Hügel Sloweniens erinnern mich an den Taunus, dort wo ich herkomme, eine Landschaft deren Geometrie mir immer ein Gefühl von zu Hause gibt, irgendwo tief im Innern, auch wenn der Geruch, der Stadt, der Straße und des Waldes ein anderer ist. Vielleicht fehlt nur hier und dort ein Molekül, doch es ist deutlich genug, um blind verkosten zu können.

Ich blicke nach drüben auf das Pohorje-Gebirge, denke an die Gräber in den dunklen Fichtenwäldern, denke an das Grab meiner Oma, die sich durchkämpfte und Stalin überlebte, damit ich mir hier an dieser Kapelle freie Gedanken machen kann. Was würde sie sagen zu meinen zahlreichen Asylgesuchen, zu meinen Umzügen, zu meiner Unsesshaftigkeit?

Ich weiß es nicht. Aber ich würde ihr sagen: Oma, das ist meine Versicherung gegen das Vergessen. Jeder Umzug schärft die Gedanken und die Sinne und lässt mein Leben in bessere Abschnitte teilen. Ich muss immer wieder neue Räume einrichten, damit ich nicht bequem werde.

Vielleicht würde sie dann sagen: So wirst du dich nie zu Hause fühlen.
Könnte sein, würde ich zugeben. Vielleicht aber, vielleicht gibt es doch einen Plural.

*Text aus der Lesung in Ljubljana

Dienstag, 23. Oktober 2012

Am Ende des Tals

Kleiner Ausflug mit J. nach Logarska Dolina, ein Tal in den Saviner Alpen, etwa 120 westlich von Maribor. Wandern durch die Bergrücken mit offenen Mündern, weil das Licht sanft wie eine Feder fällt und die Herbstfarben die Augen umarmen. Wenn mehr Menschen wüßten, wie schön Slowenien ist, wäre es hier gerammelt voll.

Am Ende des Tals ein Wasserfall und die verrückte Idee, eine Bar aus Holz in die Luft zu bauen.

Ein paar Meter neben uns stürzt und rauscht das Wasser. Wir trinken Heidelbeerschnaps, reden, lachen, atmen die mineralige Luft, schmecken, wie schön das Leben sein kann. Später überfällt der Mond die einsetzende Dunkelheit und vertreibt den Sternenhimmel. Gut, man kann eben nicht alles haben.









Montag, 22. Oktober 2012

Goldener Herbst und Gewalt

Maribor leuchtet gerade in den schönsten Farben, was für ein fantastischer Herbst, ich habe diese Jahreszeit in Israel wirklich vermisst.

Am Wochenende war ein Freund aus Deutschland zu Besuch. Zur Einstimmung auf Maribor sind wir erstmal rauf an die Urbankirche, von dort hat man einen tollen Blick über die Stadt. Und wie das an solch' schönen Stellen in Slowenien nun mal ist, gibt es dort oben auch einen Buschenschank, man sitzt auf Holzbänken, trinkt Wein, ißt hausgemachte Salami und freut sich des Lebens.


Abends sind J. und ich ins Fußballstadion, Maribor spielte gegen Ljubljana. Endlich wurde mir auch klar, warum bei fast jedem Spiel in der Stadt hier ein Polizeiaufgebot wie bei einem Staatsbesuch herrscht. Nicht nur, dass die "Fans" die ganze Zeit Bengalo-Feuer zünden und Kracher aufs Feld schmeißen. Nein, da hatte sich anscheinend auch schon die Polizei dran gewöhnt. Richtig rund ging es erst, als ein Maribor-Fan aus seinem Block ausbüxte, quer über das Spielfeld lief (was keiner der anwesenden Polizisten mitschnitt) und einen Bengalo in den Block der Fans aus Ljubljana schmiß.



Tja, wie reagierten wohl die Fans aus der Hauptstadt? Sehr gesittet. Rissen die Plastiksitzschalen aus den Verankerungen und schmissen sie auf die Polizisten. Das gab dann natürlich eine Menge Ärger: Die Polizisten rückten in den Block und räumten ihn. Alles andere als friedlich war das, Fäuste flogen, Schlagstöcke und noch mehr Plastiksitze. Zu Hause werden die "Fans" wahrscheinlich als Helden gefeiert; ich frage mich immer wieder, was diese ganzen Idioten untern den Fußballfans (natürlich ist das nur eine Minderheit, aber in der Summe aller in Europa schon wieder bedenklich) eigentlich tun würden, wenn sie nicht am Samstag ins Stadion könnten.



Am Ende jedenfalls gewann Maribor nach einem Spiel auf ein Tor und mein Freund J. war überrascht ob des diversen Programms an diesem Tag. 

Dienstag, 16. Oktober 2012

Warten*

Als die Sonne noch schien, hatte ich gerade kein Geld. Ich wollte trotzdem nach Deutschland, irgendwie. Ich stellte mich in Melje an die Autobahn, es war früh morgens, doch im alten Industriegebiet wachte niemand auf, fingen die Maschinen nicht an zu gähnen, rauchten die Schlote nicht ihre ersten Zigaretten. Melje war schon lange tot, seine alten Bewohner lebten wohl noch und erzählten sich wahrscheinlich von guten alten Zeiten, als das Bier nach getaner Arbeit doppelt gut schmeckte.

Ich war lange nicht mehr per Anhalter gefahren. Schengenoptimistisch dachte ich, jemand würde mich bestimmt sofort mitnehmen. Von wegen. Ich stand eine Weile. Nach 15 Minuten dachte ich zum ersten Mal an die Autovermietung und meine Kreditkarte, die der Angestellte mit der grüne Weste in den Computer tippen könnte. Wozu gibt's schließlich Schulden? Doch genau für solche Fälle!

Schließlich überwog doch der Geiz und ich stand weiter. Nochmal 15 Minuten, und noch 15, dann hielt ein Wagen und nahm mich mit Richtung Österreich. Die Weinberge flogen dahin links und rechts und der Ingenieur erzählte mir vom dem guten Trinkwasser in Maribor, trotz der lang anhaltenden Hitze, aber die Drava, die brachte so einiges an Regen mit aus Österreich.

Er setzte mich an einer Tankstelle ab, ich sah einen Hofer, ging hin, kaufte mir ein paar Textmarker. In Neongrün schrieb ich dann, tja, was schrieb ich eigentlich? Ich glaube es war Linz, von dort wollte ich nach Passau und über die A3 nach Frankfurt. Auf der Karte ist das fast eine kerzengerade Strecke.

Fünf Minuten später war ich wieder unterwegs - es ging zackiger, als ich dachte - mit einem Mann aus Oberösterreich, der einfach nur wollte, dass ich zuhörte. Ich tat wie von mir gewünscht, lauschte dem Referat über die Beförderungsbestimmungen von Gefahrentransporten.

Und dann? Dann stand ich. Steckte fest am Voralpenkreuz, um mich herum zerstieben die Wagen in alle Richtungen, die einen fuhren nach Kroatien, die anderen in die Türkei, aber keiner wollte da lang, wo ich langwollte. Immerhin wußte ich jetzt ziemlich Bescheid über die Unterschiede von ungarischen und deutschen Feuerlöschgesetzen.

Ich richtete mich also ein, stand unter der Anzeigentafel der Tankstelle mit meinem Schild. Ich wartete. Ich wartete richtig lange. Wie oft machen wir das noch? Richtig warten. Ohne ein Buch in der Hand und vor allem ohne das obsessive Hervorzücken des Telefons, das moderne Ziehen eines Revolvers, mit dem wir uns gegen die Gefahr des Alleinseins bewaffnen. Die Welt ist voller Gesichter im flackernden Schein von Bildschirmen.

Warten ist sich in Geduld üben. Und tatsächlich, man muss es üben, es ist eine asketische Tätigkeit. Ich hatte vergessen, wie gering meine Toleranz für einfach Rumstehen ist. Sich einfach mit der Zeit, die langsam an einem vorbeifließt, auseinandersetzen.

Die Sonne brezelte mir auf den Schädel, sie stand im Scheitel und hatte den Schatten der Anzeigetafel weggebrannt. In Gedanken ging ich an der Lubljanica spazieren, der Geruch von Ćevapčići und Marijuana hing in der Luft wie ein Seemann im Adlernest. An den drei Brücken wollte ich mich in eine Bar setzen, konnte mich nicht entscheiden, schließlich warf ich eine Münze, die mir aus der Hand in den Fluß fiel, gut dachte ich, gehe ich also ins Maček trinke ein 
 Laško und schaue mir 80er Jahre Musikvideos auf dem TV in der Ecke an.

Ein Wagen hupte an der Tankstelle und riss mich aus meinen Gedanken. “Hey Du Schmarotzer”, rief der Fahrer, “Such dir doch einen Job.” Dann fuhr er mit seinem BMW davon, schade, dachte ich, damit wäre ich schnell unterwegs gewesen.

Jedoch fing es mir gerade an Spaß zu machen, einfach nur rumzustehen und in die Gegend zu glotzen, Dinge wahrzunehmen, für die ich vorher blind war, weil ich mich selten an Orten aufhalte die für die Durchreise gemacht sind. Raststätten zum Beispiel. Das Voralpenkreuz zum Beispiel. Während ich da stehe mit meinem Schild, neon-grün auf Karton - fließen die Menschen wie Fische in zwei sich kreuzenden Strömen durch diesen Ort: Kinder, Jungendliche, Erwachsene, Senioren, Gesunde, Kranke, dünne, sportliche, fette. Mit Schnauzer ohne Schnauzer. In Jogginghosen, in Anzügen. Mit Sonnenbrille und ohne. Slowenen, Deutsche, Kroaten, Türken, Albaner, Bosnier, Ungarn, Engländer, Holländer. BMWs, Audis, Volkswagen, Fiats, Hyundais. Die Menschen essen Schnitzel oder Schokoriegel. Streiten sich, lieben sich, erleichtern sich auf der Toilette, danach kommen sie immer mit einem befriedigten Ausruck aus der Tür, die Blase im Zaum gehalten auf der Autobahn solange es nur irgend ging.

Drei Stunden lang wartete ich und ging gedanklich spazieren. Besuchte die europäische Idee, diese grenzenlose Freiheit, die wir heute als so selbstverständlich hinnehmen, schaute bei Drago
Jančar vorbei und stimmte ihm zu, dass wir offen mit unseren menschlichen, linguistischen, kulturellen und kreativen Differenzen leben sollten. Später klingelte ich auch bei Samuel Beckett, um ihm meine Sicht der Dinge darzulegen, aber der war leider nicht da.

Schließlich hielt ein Auto, es fuhr nach München. Ich wollte gar nicht einsteigen, gar nicht mehr mitschwimmen in diesem Fluß, gar nicht mehr Teil sein dieses Hin und Herströmens zwischen Arbeit und Urlaub, zwischen Scheidungen und Hochzeiten, Krieg und Frieden, Geburtstagen und Beerdigungen.

Freitag, 12. Oktober 2012

Nachklapp Lesung Ljubljana

In den letzten Tagen vor der Lesung eine mönchsmäßige Existenz geführt. Mit Mütze und Schal am Küchentisch gesessen, weil es mittelalterschreibstubenkalt ist (kann jemand bitte die Zentralheizung anstellen?), geschrieben und redigiert, mit dem Publikum in Ljubljana im Hinterkopf.

Erst dachte ich: läuft doch alles. Am Abend davor bekam ich dann allerdings Panik. War jedoch unnötig. Ich wurde in Ljubljana nicht ausgebuht. Habe vor den etwa zehn Zuhörern in der Deutschen Bibliothek Texte aus dem Blog und neues Material gelesen, das ich extra für die Lesung verfasst hatte. Die Texte werde ich nach und nach hier in den Blog stellen, nachdem sie den Test gestern bestanden haben.

Vielen Dank an Brane Čop, den Leiter der Bibliothek, der sich rührend darum kümmerte, dass mir die Kehle nicht trocken wurde.

War ganz zufrieden mit meiner ersten Lesung (keine größeren Aussetzer, keine "Langweilig!"-Rufe) und dem Glas Whisky auf meinem Tisch (so habe ich mir das immer vorgestellt, ich muss es zugeben), auch wenn die ganzen Germanistikstudenten doch nicht den Weg an den Platz der Republik gefunden hatten. Immerhin: es waren mehr da als bei meiner Amtseinführung. Mir hat's Spaß gemacht. Könnte mich daran gewöhnen. 

Montag, 8. Oktober 2012

Lesung in Ljubljana

So, meine erste Lesung steht an und ich krieg' langsam Bauchschmerzen. "Literarisches Gespräch mit Fredy Gareis" - diesen Titel werde ich mir schon mal auf einen Zettel schreiben, archivieren und vielleicht mal hervorholen, wenn ich irgendwann an gute alte Zeiten denken muss.

Ich werde wohl ein paar Sachen aus meinem Blog lesen, aber auch ein paar Texte, die ich extra für die Lesung geschrieben habe (bzw. gerade schreibe). Die Lesung findet statt am 11. Oktober, also am Donnerstag, um 17:30 in der Deutschen Bibliothek in Ljubljana, Trg republike 3.

Donnerstag, 13. September 2012

Kurze Pause

Bin in Deutschland unterwegs, deswegen passiert in diesem Blog momentan so gut wie nichts. Heute Abend bin ich in Berlin, weil mir der "Journalistenpreis Kultur & Politik" vom Deutschen Kulturrat verliehen wird. Schon wieder ein Grund zum Feiern.

Nächste Woche geht es hier wieder weiter mit Berichten aus dem schönen Maribor.

Montag, 10. September 2012

Deutscher Radiopreis in Hamburg

Anderthalb Stunden gefiebert, aber dann wurde es leider doch nichts. Ich war nominiert für den Deutschen Radiopreis 2012 in der Kategorie "Beste Reportage". Der Preis ging dann an eine Geschichte über Gaddafi und ich war wirklich froh, als die Entscheidung durch war. Konnte nämlich die ganze Zeit vor lauter Aufregung nichts essen, hab kaum ein Wort geredet, obwohl bei mir am Tisch so ein berühmter Gast wie Bundespräsident a. D. Weizsäcker saß.

Der ist mittlerweile 92 Jahre alt, braucht zwei Gehstöcke und zwei Hörgeräte, will aber immer noch jedesmal aufstehen, wenn er eine Frau begrüßt - ganz alte Schule. Allerdings hat er dafür auch die Laudatio auf den Preisträger zweimal gehalten. Zum Glück hat sich keiner getraut ihn zu unterbrechen.



Robbie Williams war auch da und hat die Frauen an den Rande der Ohnmacht gebracht; vor der Halle wies ein roter Teppich den Weg zur Veranstaltung. Bin auch drüber gelaufen, mich hat aber komischerweise niemand dabei fotografieren wollen.

Eigentlich schon eine merkwürdige Veranstaltung. Sehr pompös, etwa 1000 Gäste, viel Prominenz, das ganze live in TV und Radio übertragen. Aber am Ende ging es nur darum, sich selbst zu feiern. Die Preisträger selbst waren eher unwichtig; den Nominierten wurden auch weder Anreise- noch Hotelkosten gezahlt. Das war eher traurig. Schade auch, dass ich meine vorbereitete Rede nicht halten konnte. Vielleicht beim nächsten Mal.