Montag, 23. Juli 2012

Die Marburg


Ich falle aus meiner Tür und bin direkt im Stadtpark, ein Dach aus allen Farben Grün über mir. Dahinter fangen gleich die Weinberge an und ein Weg führt hinauf auf die Pyramide. Früher, und damit meine ich ganz früher, so etwa im 11. Jahrhundert, stand hier eine Festungsanlage, die das Flusstal und die Transportwege kontrollieren sollte. Die Anlage wurde Burg in der Mark genannt: Marburg.

Den ganzen Tag laufen die Mariborer diesen kleinen Hügel hinauf und läuten an der Glocke, die an der kleinen Kapelle hängt. Wenn die Sonne untergeht, in die dunklen Täler im Norden leuchtet, ihren Schimmer über die Stadt legt, dann aber füllen küssende Pärchen den kleinen Platz, setzen sich auf die Stufen der Kapelle, die der heiligen Jungfrau Maria gewidmet ist, und halten Händchen:

Im Jahr des Herrn eintausend achthundert zwanzig ein
Zerstört die Pyramide des Blitzes heller Schein.
Herr Heinrich Graf zu Brandi, Johana Welsersheim
Die haben dann errichtet ein Kirchlein aus dem Stein.
Und haben es gewidmet in gläubig frommen Sinn
Der unbefleckt Empfangenen, der Himmelskönigin.

Im Jahr des Herrn eintausend neunhundert neun es war
Der Dachstuhl droht zu stürzen, das Kirchlein litt Gefahr
Reichsfreiherr Pius Twichlu, sein eh‘lich Gemahl
Mechthildis Freiin Bernhard die haben dazumal
Das Kirchlein renoviert, das neue Dach erbaut
Die Glocke ihm gegeben - nun sei‘s dem Herrn vertraut

O Königin des Himmels so halte deine Hand
Stets über unsre Kinder und über Stadt und Land.

Sonntag, 22. Juli 2012

Kaiserliche Cevapcici


Ganz leichte Kost: gefüllt mit Käse und Speck. Und das ist die kleine Portion. Eine lokale Gleichung geht so: halbes Jahr Aufenthalt in Maribor, vier Kilo extra auf den Rippen.

Samstag, 21. Juli 2012

Küssen erlaubt


Im Stadtpark.

Freitag, 20. Juli 2012

Try again, fail better


Was mache ich auf einmal mit der ganzen Zeit, die mir hier zur Verfügung (zum Vergnügen?) steht? Muss nicht mehr jede Wendung des Nahost-Konflikts verfolgen, muss nicht ständig Mails lesen, um dringende Redaktionsanfragen zu bearbeiten. Kann also offline gehen und mein Gehirn defragmentieren. Kann wieder an meinem Buch arbeiten, das jetzt in die dritte Fassung geht und eines meiner Projekte für meinen Aufenthalt in Maribor ist. Habe es die ganze Zeit in Israel liegen lassen, es fast schon vergessen, es vielleicht auch vergessen wollen.

Schreiben ist ein einsames Geschäft voller Zweifel. Auch nach der zweiten Fassung ist es einfacher, das Teil einfach in die Ecke zu schmeißen und etwas anderes anzufangen. Alles ist einfacher, als in diesem Textsteinbruch zu arbeiten, um jedes Wort und jeden Satz zu schwitzen. Von der Handlung und den Charakteren will ich gar nicht erst sprechen. „Das wird nie was“, schallt es mir immer wieder durch den Kopf, aber dann stehe ich im Buchladen, sehe die Berge an Gedrucktem und denke: Come on man, das kriegen noch ganz andere hin.

Jetzt bin ich schon wieder ein paar Tage um das Buch herum getanzt, habe mich nicht getraut es in die Hand zu nehmen, aufzuschlagen und zu lesen, was ich da fabriziert habe. Eigentlich kann ich doch nur scheitern, denke ich. Aber vielleicht scheitere ich irgendwann auf einem Niveau, das gar nicht so schlecht ist. Es gibt da einen schönen Spruch von Samuel Beckett, Trost in dunklen Stunden, wenn es wieder mal nicht so wird, wie ich mir das vorstelle: 
"Ever tried, ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better."

Donnerstag, 19. Juli 2012

Marleybor


Marleybor? Auch nicht schlecht. Fehlte mir noch in meiner Sammlung.

Die Stadt ist gerade etwas ausgestorben, die Slowenen im Urlaub, viele haben ein Häuschen an der kroatischen Küste. Die eigene Küste ist gerade mal 47 Kilometer lang, aber das Meer dort, sagen die Marleyborer mir, sei einfach nicht so schön, das Wasser nicht so klar.

Ich finde langsam meinen Rhythmus. Erkunde nebenbei die Stadt. Steige auf den Kirchturm und blicke auf die roten Dächer, auf die gedrängten Häuser. Friedlich liegt es da, dieses Marleybor. Die Gassen sind geputzt, die Häuser saniert. Ein bisschen k.u.k. weht durch die Stadt. Gelegentlich höre ich ein Klingeln und erwarte eine Postkutsche, die an mir vorbei über den Pflasterstein rattert.
 
Bei aller Idylle, die Stadt hat ihre Wunden. Genauso wie das Land. Aber das ist Stoff für zukünftige Einträge. Jetzt lockt die Sonne, die in der Drava glitzert. Die Luft ist weich - es ist Sommer in Marleybor.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Amtseinführung


Vorstellung des Stadtschreibers in Maribor bei kochenden 33 Grad. Ich habe zwar keine Ahnung, was ich erzählen soll, aber ich bin gut drauf. Maribor leuchtet in der Sonne, die Wälder zittern dunkelgrün und der Weißwein schmeckt überraschend gut.

Mit mir auf dem Podium: Winfried Smaczny (Vorstandsvorsitzender Deutsches Kulturforum östliches Europa), Natasa Kos (Programmbüro der Kulturhauptstadt) und Hendrik Kloninger (Leiter Goethe-Institut Ljubljana).

„Was macht eigentlich ein Stadtschreiber?“, fragt Hendrik Kloninger. Darauf habe ich ja nur gewartet. Jetzt kann ich endlich die Vorstellungen meiner Freunde loswerden, die mich durch die Straßen der Altstadt laufen sehen, am besten in buntem Kostüm, aber auf jeden Fall mit Federhut auf dem Kopf und Pergamentrolle in der Hand. Wie ich in der Postgasse Geschichten der Menschen aufzeichne und sie dann auf dem Marktplatz rausposaune: „Ihr Bürger Maribors, hört, hört!“

Ich glaube, meine Freunde nehmen mich nicht ernst. Aber es macht Spaß die Tätigkeit eines Stadtschreibers so zu fassen, schön mittelalterlich. Wir witzeln auf dem Podium darüber und ich versuche einen guten Eindruck zu machen, aber die zwei Damen (richtig gelesen: vier auf dem Podium, zwei im Publikum - klassische Überzahlsituation) in den ansonsten leeren Stuhlreihen schauen mich an, als hätte ich eben gesagt, dass Ljubljana viel schöner als Maribor sei und aufregender noch dazu.

Aber immerhin, ich bin in das Amt (mein erstes!) eingeführt worden. Jetzt muss/darf/werde ich es füllen. Hört, hört.

Dienstag, 17. Juli 2012

Zdravo Maribor


"Bitte wohin gehst Du?", fragt mich mein Freund Dennis, als ich von meiner neuen Stelle als Stadtschreiber erzähle.
Nach Maribor.
"Nach Marabou?"
Nein, Mann. Marabou ist eine Schokoladenmarke und keine Stadt!
"Ach ja, stimmt."

So geht das die ganze Zeit. Muss immer wieder erklären, wo dieses Maribor eigentlich liegt und dass die zweitgrößte Stadt Sloweniens nicht etwa Marlborough heißt, auch nicht Mutabor und schon gar nicht Malibu.

Vor zwei Tagen bin ich hier gelandet. Aus der ewigen Konfliktzone Nahost ins ruhige Slowenien. Jetzt schaue ich aus meinem Fenster direkt auf den Stadtpark in Maribor und habe das Gefühl, dass ich in diesem rechteckigen Ausschnitt mehr Grün sehe, als in zwei Jahren Israel. Morgens wecken mich nun die Kirchturmglocken des Franziskanerklosters.

120 000 Menschen sollen hier leben, aber es fühlt sich gerade mal nach der Hälfte an. Im Norden, direkt hinter dem Stadtpark, beginnen die Weinberge; auf jedem Hügel thront eine kleine Kirche. An der rotdachigen Altstadt fließt gemächlich die Drava vorbei, breit und dunkelgrün bis braun. Im Süden das Pohorjegebirge. Eigentlich Wald und Wiesen und Wasser wohin ich schaue. Hauptstadtzungen aus Ljubljana nennen diese Idylle bisweilen Mariboring.

Ts, ts, ts. We shall see. Fünf Monate werde ich hier sein, eine kleine Abkehr vom ansonsten so hektischen Journalistenalltag: Zeit für persönliche Projekte. Zeit, die Stadt, das Land und vor allem die Leute kennen zu lernen, ohne immer im Hinterkopf haben zu müssen, ob sich diese Geschichten verkaufen ließen. Kultur statt Konflikt. Kurz gesagt: Luxus.

Zdravo Maribor. Me veseli.